Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz bei Unfallverletzungen: Zurechnungszusammenhang zwischen unfallbedingten Verletzungen und Folgeschäden bei einer Begehrensneurose
Orientierungssatz
Ein Zurechnungszusammenhang zwischen unfallbedingten Verletzungen und Folgeschäden ist schon dann abzulehnen, wenn 90% der Beschwerden auf einer krankhaften Begehrenshaltung des Geschädigten beruhen.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 847 Abs. 1; StVG § 7
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 30.07.2010; Aktenzeichen 24 O 293/96) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30.07.2010, Az. 24 O 293/96,
und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 15.230,29 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 4 % aus 12.362,28 EUR seit 29.06.1996 und aus weiteren 2.868,01 EUR seit 15.05.2004.
2. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30.07.2010, Az. 24 O 293/96,
z u r ü c k g e w i e s e n. |
3. Der Kläger trägt von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen 98 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 2 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung jeweils in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Streitwerte erster und zweiter Instanz:
Berufungsantrag II.: |
579.900,41 EUR |
Berufungsantrag Ziff. III.: |
50.000,00 EUR |
Berufungsantrag Ziff. IV.: |
110.400,00 EUR |
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Insgesamt: |
740.300,41 EUR |
Tatbestand
I.
Der am … 1942 geborene Kläger macht materiellen und immateriellen Schaden sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten aus einem Verkehrsunfall am …12.1993 in B-E geltend.
Die Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig.
Als Folge des Verkehrsunfalls befand sich der Kläger vom …12.1993 bis 22.12.1993 in stationärer Behandlung.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 30.7.2010, AZ. 24 O 293/96, verwiesen.
Mit diesem Urteil wurde die Klage als unbegründet abgewiesen, weil über die bisher bezahlten Beträge hinaus der Kläger aus dem Verkehrsunfall keine Ansprüche gegen die Beklagten habe. Der Kläger habe seinen Anspruch auf Ersatz materieller Schäden trotz mehrerer gerichtlicher Hinweise nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Über das, was die Beklagte 2 bereits bezahlt habe, seien adäquat kausal durch das Unfallereignis hervorgerufene Schäden nicht festzustellen, weil die Schäden mit gleicher Wahrscheinlichkeit wie eine adäquat kausale Verursachung durch den Unfall auf eine Rentenneurose zurückzuführen seien, für deren Folgen die Beklagten nicht aufzukommen hätten. Aufgrund des Gutachtens von Prof. Dr. H vom 28.7.1998 stehe fest, dass der Unfall für den Kläger ohne gravierende orthopädisch-traumatologische Folge und insoweit Dauerschäden geblieben sei. Der Sachverständige Prof. Dr. M sei in der Auseinandersetzung insbesondere mit dem Privatgutachten des Prof. Dr. C lediglich zu Wahrscheinlichkeitsgraden gekommen, die für eine hinreichende Überzeugung des Gerichts von einer Unfallursächlichkeit der insgesamt geklagten Beschwerden nicht ausreiche. Eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund der körperlichen Verletzungen des Klägers könne nicht festgestellt werden. Eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund von dem Unfallgeschehen zuzurechnenden seelischen Folgen sei zu verneinen. Die vielfältigen Beschwerden, die der Kläger vorbringe, könnten nicht auf den Unfall vom …12.1993 zurückgeführt werden. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe sich aus neurologischer Sicht allenfalls in den ersten vier Wochen nach dem Unfall ergeben. Der Sachverständige Dr. C habe eine aus der mangelhaften Verarbeitung des Unfallereignisses resultierende abnorme seelische Entwicklung festgestellt, die so chronifiziert sei, dass mit keiner Besserung der Beschwerden mehr zu rechnen sei. Der Sachverständige Dr. A gehe in seinen schriftlichen Ausführungen davon aus, dass die normale Verarbeitungszeit nach einem solchen Unfallereignis bei sechs Monaten liege und alles, was darüber hinaus gehe, mit Persönlichkeitsfaktoren begründet sei. Seine weiteren Ausführungen zu einer Verarbeitungsdauer von einem oder 1 1/2 Jahren hätten keinen höheren Beweiswert. Ein posttraumatisches Belastungsstörungssyndrom halte der Sachverständige Dr. A nachhaltig für nicht gegeben. Das Landgericht sei daher bei Gesamtbetrachtung der Ausführung der hinzugezogenen Sachverständigen und unter Berücksichtigung der Privatgutachten nicht überzeugt, dass nicht nur eine sogenannte Begehrens- bzw. Rentenneurose vorliege, sondern ein Schadensersatz begründendes Krankheitsbild. Selbst eine überwiegende Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 287 ZPO für den Zusammenhang zwischen Unfall und Eintritt des geltend gema...