Leitsatz (amtlich)
Nimmt der Käufer eines vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs die Herstellerin gemäß §§ 826, 31 BGB auf Schadensersatz in Anspruch, entfällt der Schaden in Gestalt der Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit nicht dadurch, dass der Käufer das Fahrzeug zwischenzeitlich veräußert hat (vgl. BGH, Urteil vom 09.05.2005 - II ZR 287/02, NJW 2005, 2450, juris Rn. 13 zur Naturalrestitution beim zwischenzeitlichen Verkauf von Aktien, die aufgrund von als sittenwidrig zu beurteilenden Ad-hoc-Mitteilungen erworben wurden). Die Herstellerin hat in diesem Fall den für den Erwerb des Fahrzeugs gezahlten Kaufpreis abzüglich des beim Weiterverkauf erzielten Kaufpreises und abzüglich eines Vorteilsausgleichs für die während der Besitzzeit gezogenen Nutzungen zu erstatten.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 2 O 217/17) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18.07.2019, Az. 2 O 217/17, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.265,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.01.2018 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2018 zu bezahlen.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Klage in der Hauptsache in Höhe eines Teilbetrages von 9.762 EUR erledigt hat.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Der Kläger trägt 45 %, die Beklagte 55 % der Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
V. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis 40.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselskandal.
1. Der Kläger kaufte am 13.12.2007 für 42.000 EUR das im Tenor genannte Fahrzeug als Neuwagen. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet. Dieser verfügt über eine Motorsteuersoftware, die erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchführt und schaltet in diesem Fall einen Modus ein, in dem das Fahrzeug mit einer höheren Abgasrückführungsrate und einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) betrieben wird als gewöhnlich. Das von der Beklagten angebotene Software-Update ließ der Kläger am 03.03.2017 aufspielen. Im Februar 2019 veräußerte der Kläger das Fahrzeug bei einem Kilometerstand von 99.990 zu einem Verkaufspreis von 9.551 EUR brutto.
Der Kläger nahm die Beklagte mit Klage vom 12.12.2017 ursprünglich auf Rückzahlung des gesamten Kaufpreises in Höhe von 42.000 EUR Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs, Feststellung des Annahmeverzugs und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.613,24 EUR in Anspruch.
Nach Weiterveräußerung des Fahrzeugs machte der Kläger mit Schriftsatz vom 20.03.2019 die Zahlung von 33.750 EUR abzüglich einer in das Ermessen des Gerichts gestellten angemessenen Nutzungsentschädigung, jedoch nicht mehr als 11.966,52 EUR, geltend, hielt am Anspruch auf Erstattung der Anwaltsgebühren fest und erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache im Übrigen teilweise für erledigt.
Der Kläger beantragte in erster Instanz zuletzt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 33.750 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.11.2017 abzüglich einer angemessenen Nutzungsentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht mehr als 11.966,50 EUR, zu bezahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.613,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.2017 zu bezahlen.
Im Übrigen hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Beklagte stellte in erster Instanz den Antrag,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der Einzelheiten des festgestellten Sachverhalts sowie des Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
2. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB zustehe, könne dahinstehen. Wegen der Weiterveräußerung des Fahrzeugs fehle es an einem Schaden. Während seiner Besitzzeit habe der Kläger das Fahrzeug ohne jegliche Einschränkung genutzt. Nachdem das Fahrzeug nicht mehr zurückgegeben werden könne, sei nur noch der fina...