Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf eines Leasingvertrags
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Kilometerleasingvertrag, bei dem ein bestimmter Restwert nicht garantiert ist, ist keine Finanzierungshilfe i. S. d. § 506 BGB. Die Vorschrift ist auf solche Leasingverträge auch nicht analog anwendbar.
2. Daher besteht bei solchen Leasingverträgen auch für Verbraucher ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht.
Soweit bei Leasingverträgen von Verbrauchern als Leasingnehmern ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht, gilt Folgendes:
a) Soweit der Lauf der Widerrufsfrist Angaben zum pro Tag zu zahlenden Zins voraussetzt, tritt die pro Tag zu zahlende Leasingrate an die Stelle des pro Tag zu zahlenden Zinses. Dabei ist keine betragsmäßige Angabe erforderlich, sondern die Angabe eines Bruchteils der im Vertrag genannten Leasingrate genügt.
b) Für die Zeit zwischen Übergabe und Rückgabe des Leasinggutes hat der Leasingnehmer im Fall des Widerrufs neben der Leasingrate auch Wertersatz für eine Verschlechterung des Leasinggegenstandes zu leisten. Soweit dieser Wertersatzanspruch nur für Verschlechterungen besteht, die über den durch die reine Nutzung des Leasinggegenstandes entstehenden und mit der Leasingrate abgegoltenen Wertverlust hinausgehen, setzt der Lauf der Widerrufsfrist keinen ausdrücklichen Hinweis des Leasinggebers auf diese Beschränkung voraus.
c) Zu weiteren Voraussetzungen des Laufs der Widerrufsfrist.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 20.11.2018 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 19.561,50 Euro.
Gründe
Der Kläger verlangt nach Abgabe einer Widerrufserklärung von der beklagten Leasinggesellschaft die Rückabwicklung seines Leasingvertrages über einen PKW.
Beim streitgegenständlichen Leasingvertrag vom 14.1.2015, den der Kläger als Verbraucher geschlossen hat, handelt es sich um einen Kilometerleasingvertrag ohne Restwertgarantie und mit einer Vereinbarung zum Ausgleich von Mehr- und Minderkilometern. Er sah eine Leasingsonderzahlung i. H. v. 9.961,50 Euro, sowie 48 Monatsraten in Höhe von jeweils 200 Euro vor. Der Vertragsurkunde waren allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten - ausweislich derer es sich um einen Leasingvertrag im sogenannten Eintrittsmodell handelt - sowie eine Europäische Standardinformation für Verbraucherkredite beigefügt. Die Vertragsurkunde enthielt außerdem eine Widerrufsinformation.
Der Vertrag wurde in Vollzug gesetzt und der Kläger leistete zunächst die vertraglich vereinbarten monatlichen Raten, bevor er mit Schreiben vom 19.3.2018 den Widerruf erklärte und ankündigte, künftige Raten nur noch unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu zahlen. Bei Ablauf der ursprünglich vereinbarten Laufzeit wurde der Vertrag am 15.4.2019 bedingungsgemäß abgewickelt, wobei das Fahrzeug bei Rückgabe noch einen Wert von 24.139,90 Euro hatte gegenüber einem Wert von 44.113,30 Euro bei Vertragsschluss und wobei dem Kläger bei Rückgabe des Fahrzeugs ein Betrag von 649,30 Euro wegen Minderkilometern rückvergütet wurde.
Der Kläger hat in erster Instanz gemeint, ihm habe ein Widerrufsrecht zugestanden, das gemäß § 356b BGB mangels ausreichender Erteilung verschiedener Pflichtangaben und fehlender Übergabe einer von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Vertragsurkunde bei Abgabe der Widerrufserklärung im Jahr 2018 nicht verfristet gewesen sei. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass ihre Widerrufsinformation dem gesetzlichen Muster entsprochen habe. In der Rechtsfolge hat der Kläger in erster Instanz seine bis dahin geleisteten Raten insgesamt zurückverlangt; Wert- oder Nutzungsersatz müsse er nicht leisten. Daneben hat er die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt.
Demgegenüber meinte die Beklagte, ein von beiden Parteien unterzeichnetes Vertragsexemplar müsse der Verbraucher nicht erhalten, die als ungenügend gerügten Pflichtangaben seien zutreffend erteilt bzw. teils nicht erforderlich gewesen. Im Übrigen habe sie das gesetzliche Muster verwendet, so dass ihr der Schutz der Gesetzlichkeitsfiktion zugute komme. Zuletzt sei ein Widerrufsrecht ggf. verwirkt oder seine Ausübung sonst rechtsmissbräuchlich. Hilfsweise hat die Beklagte in erster Instanz Widerklage erhoben und die Feststellung begehrt, dass der Kläger zum Ersatz des Wertverlustes verpflichtet sei, den das Fahrzeug zwischen Auslieferung und Rückgabe erlitten haben werde.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens und der Anträge der Parteien in erster Instanz wird auf...