Leitsatz (amtlich)
1. Die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung kann ausnahmsweise die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung offensichtlich vorliegen, die Zurückweisung des Antrags für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre und somit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzte.
2. Ein solch offensichtlicher Grund kann darin gesehen werden, dass u.a. der Termin in einem recht frühen Stadium der sog. Corona-Pandemie hätte stattfinden sollen und der Verlegungsantrag mit der jeweiligen Lungenvorerkrankung sowohl des beklagten Rechtsanwalts, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war, als auch seines Prozessbevollmächtigten begründet wurde.
3. Ein Prozessbevollmächtigter, der sich angesichts einer fortdauernden Pandemielage andauernd wegen seiner gesundheitlichen Situation an der Wahrnehmung von Gerichtsterminen gehindert sieht, wird Vorsorge für eine Vertretung zu treffen haben.
Normenkette
ZPO § 42 Abs. 2, § 227 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Kaiserslautern (Beschluss vom 14.05.2020; Aktenzeichen 3 O 877/18) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Landgerichts Kaiserslautern vom 14. Mai 2020 abgeändert und die Ablehnung des ... durch die Beklagte wegen Besorgnis der Befangenheit für begründet erklärt.
Gründe
I. In der Hauptsache nimmt der Kläger mit seiner am 18. Dezember 2018 eingegangen Klage die Beklagte, die Rechtsanwältin ist, wegen behaupteter Pflichtverletzungen aus einem vormals bestehenden Mandatsverhältnis auf Schadenersatz i.H.v. ... EUR in Anspruch. Dem Anwaltsvertrag lag u.a. die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen aus einem Bauvorhaben (K.) zugrunde.
Im Laufe des Jahres 2019 kam es in dem Verfahren auf jeweilige Anträge der Parteien mehrfach zu Fristverlängerungen. Die Klageerwiderungsfrist wurde für die Beklagte mit Verfügung vom 15. März 2019 (Bl. 114 d.A.) um sechs Wochen wegen vorübergehenden Klinikaufenthalts des Beklagtenvertreters verlängert, mit Verfügung vom 24. April 2019 (Bl. 121 d.A.) um weitere vier Wochen wegen zeitweisen stationären Aufenthalts der Beklagten, mit Verfügung vom 14. Mai 2019 (Bl. 129 d.A.) wiederum um vier Wochen wegen noch offener Akteneinsicht des Beklagtenvertreters in Beiakten, mit Verfügung vom 28. Juni 2019 (Bl. 143 d.A.) erneut um etwa sieben Wochen in Reaktion auf das Vorbringen des Beklagtenvertreters, wonach u.a. wegen ausbleibenden persönlichen Kontakts "wohl infolge des gesundheitlich angeschlagenen Zustandes der Beklagten" keine Gelegenheit zur Besprechung bestanden habe (Bl. 140 d.A.). Mit Verfügung vom 8. Oktober 2019 (Bl. 178 d.A.) wurde die Replikfrist für den Kläger um drei Wochen wegen hoher Arbeitsbelastung des Klägervertreters verlängert und mit Verfügung vom 31.10.2019 (Bl. 183 d.A.) erneut um drei Wochen, nachdem der Klägervertreter auf eine noch ausstehende Abstimmung mit dem Vorstand des Klägers verwiesen hatte.
Der Kläger suchte mit Anwaltsschriftsätzen vom 27. Juni 2019 (Bl. 142 d.A.), vom 19. August 2019 (Bl. 175 d.A.), vom 5. November 2019 (Bl. 192 d.A.) sowie schließlich vom 8. Januar 2020 (Bl. 196 d.A.) um die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung nach. Mit Verfügung vom 9. Januar 2020 (Bl. 197 f. d.A.) bestimmte der abgelehnte ... (im Folgenden: Einzelrichter) Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 5. Mai 2020 und ordnete u.a. das persönliche Erscheinen der Beklagten zur Aufklärung des Sachverhalts und für einen Güteversuch an. Mit am Nachmittag des 28. April 2020 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz beantragte die Beklagte die Verlegung des Termins "zur mündlichen Verhandlung und Güteverhandlung" am 5. Mai 2020. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beklagte sei aufgrund erfolgter Lungentransplantation 2018/2019 als Risikoperson "im Hinblick auf das derzeit grassierende Coronavirus zu qualifizieren". Auch der Beklagtenvertreter sei Risikoperson. Er habe im Februar 2019 eine Lungenembolie erlitten und stationär behandelt werden müssen. Insofern sei die Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins unter diesen Umständen mit der Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus jeweils nicht zumutbar. Dem trat der Kläger entgegen und machte u.a. geltend, das Bestehen der Corona-Pandemie sowie des Verhandlungstermins seien seit mehreren Monaten bekannt gewesen. Die Reproduktionszahl sei seit Monaten zurückgegangen. Die zur Verfügung stehenden Schutzmaßnahmen seien so ausgefeilt, dass eine Ansteckung durch Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung und die damit verbundene An- und Abreise auch für sog. Risikogruppen praktisch ausgeschlossen werden könne.
Mit Verfügung vom 30. April 2020 hob der Einzelrichter die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Beklagten zum Termin am 5. Mai 2020 auf. Ihre persönliche Anwesenheit sei nicht erforderlich. Im Vordergrund stünden nach vorläufiger Prüfung der Kammer Rechtsfragen. Mit Beschluss vom selben Tage lehnte der Einzelrichter den Verlegungsantrag der Beklagten ab. Zur Begründung führte er au...