Entscheidungsstichwort (Thema)
Polizeiliche Gefahrenabwehr: Funktionelle Zuständigkeit für die Beschwerde gegen eine Wohnungsdurchsuchung in Rheinland-Pfalz; Zur funktionellen Zuständigkeit des OLG als Beschwerdegericht in Verfahren betreffend die Wohnungsdurchsuchung nach §§ 20, 21 POG Rheinland-Pfalz
Leitsatz (amtlich)
Für die Entscheidung über das Rechtsmittel der Beschwerde gegen einen Wohnungsdurchsuchungsbeschluss nach § 20 ff POG Rheinland-Pfalz ist als Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit das OLG als Beschwerdegericht funktionell zuständig. Dies ergibt der Gesetzgeberwille, wonach aufgrund des FGG-Reformgesetzes in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich eine Zuständigkeitsverlagerung vom LG zum OLG erfolgen sollte.
Normenkette
GVG § 23a Abs. 2, § 72 Abs. 1, § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b; PolG RP § 20 Abs. 1 S. 1, § 21 Abs. 1 Sätze 1-2; FamFG § 58 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Bad Neuenahr-Ahrweiler (Beschluss vom 03.03.2011) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des AG Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 3.3.2011 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 1. hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1. ist Mitglied einer Wohngemeinschaft rechtsgerichteter junger Männer (Beteiligte zu 2. bis 4.), die seit dem 16.2.2010 das Anwesen W. in B. bewohnen. Seit März des Jahres kommt es im Umfeld der W. gehäuft zu Sachbeschädigungen an öffentlichen Gegenständen und Flächen (Straßenlaternen, Straßenschilder, öffentliche Glascontainer, Fußgängerunterführungen usw.) durch das Verkleben von Plakaten und Aufklebern mit rechtsgerichteten Inhalten und Parolen gegen Tiermord/Tierversuche. Die Entfernung der Aufkleber ist mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden und führt in der Regel zur Beschädigung des Untergrundes.
Zwecks Sicherstellung von Aufklebern nach § 22 POG zur Abwendung weiterer Sachbeschädigungen hat das Polizeipräsidium K. am 22.2.2011 die Anordnung der Durchsuchung des Hauses W. in B. beantragt.
Das AG hat dem Antrag mit Beschluss vom 3.3.2011 stattgegeben. Die Durchsuchung wurde am 10.3.2011 durchgeführt. In dem Anwesen wurden 18 kg Aufkleber sichergestellt, deren Inhalt den im Bereich der W. bereits verklebten Plakaten und Aufklebern entsprach. Ausweislich des Abschlussberichtes wurde zudem ein Eimer Kleister aufgefunden.
Mit der Beschwerde wendet sich der Beteiligte zu 1. gegen die Anordnung der Durchsuchung und begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Er wendet ein, es habe bereits eine Ermächtigungsgrundlage für das polizeiliche Einschreiten gefehlt. Der ermittelte Sachverhalt rechtfertige nicht den erforderlichen Anfangsverdacht. Allein das Verwahren von Aufklebern stelle weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit dar. Zudem sei die Maßnahme unverhältnismäßig gewesen.
II. Die Beschwerde ist nach § 21 Abs. 1 Satz 2 POG Rheinland-Pfalz i.V.m. §§ 58 Abs. 1, 59, 63, 64 FamFG zulässig.
Dass infolge des Vollzugs der Durchsuchung die Erledigung der angegriffenen richterlichen Anordnung eingetreten ist, lässt das Rechtsschutzinteresse des Beteiligten zu 1. nicht entfallen. In der Durchsuchung seiner Wohnung liegt ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte des Beteiligten zu 1. i.S.d. § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG, der ein berechtigtes Interesse an der Feststellung einer Rechtsverletzung nach § 62 Abs. 1 FamFG begründet (ständige Rechtsprechung des BVerfG bereits vor dem Inkrafttreten des FamFG; vgl. etwa Beschluss vom 30.4.1997 Az. 2 BVR 817/90).
Das OLG ist instanziell zur Entscheidung zuständig.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
Nach § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG sind die OLG in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Beschwerde gegen Entscheidungen der AG in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Ausnahme der Freiheitsentziehungssachen und der von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen. Eine Legaldefinition der "Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit" enthält § 23a Abs. 2 GVG; die Vorschrift benennt die Zuständigkeiten der AG in diesen Angelegenheiten ausdrücklich (BT-Drucks. 16/6308, 319). Die Durchsuchung nach §§ 20, 21 POG Rheinland-Pfalz fällt zwar nicht in den Katalog des § 23a Abs. 2 GVG. Insbesondere wird sie nicht von § 23a Abs. 2 Nr. 11 GVG erfasst, da die Zuweisung nicht durch Bundesgesetz, sondern durch Landesgesetz erfolgt ist. Allerdings ist auch eine instanzielle Zuständigkeit des LG nicht eindeutig gegeben. Die Zivilkammern der LG sind gem. § 72 Abs. 1 GVG die Berufungs- und Beschwerdegerichte in den vor den AG verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit nicht die Zuständigkeit der OLG begründet ist. Ferner sind die LG die Beschwerdegerichte in Freiheitsentziehungssachen und in den von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen. Auch hier ist die Durchsuchung nach dem POG Rheinland-Pfalz nicht vom Wortlaut der Vorschrift umfasst.
Für die ...