Leitsatz (amtlich)

1. Erledigt sich die Anordnung von Abschiebungshaft dadurch, dass der Betroffene nach Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde aus der Haft entlassen wird, bleibt das Rechtsmittel mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft zulässig; eines ausdrücklichen Antrages bedarf es nicht (Aufgabe von Senat, NVwZ-Beilage 2000, 32; 2002, 48).

2. Es ist regelmäßig nicht rechtsfehlerhaft, wenn das Landgericht davon ausgeht, dass das mit Bosnien und Herzegowina geschlossene Rückübernahmeabkommen eine Abschiebung innerhalb von 3 Monaten ermöglicht.

 

Normenkette

GG Art. 19 Abs. 4; AuslG § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 5, S. 4; FGG §§ 27, 29; Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Bosnien und Herzegowina über die Rückführung und Rückübernahme von Personen (Rückübernahmeabkommen) Art. 2-3

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Aktenzeichen 8 T 22/02)

AG Mainz (Aktenzeichen 56 XIV 3/02.B)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Das Rechtsmittel ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 103 Abs. 2 AuslG, 3 S. 2, 7 FEVG, 29 Abs. 1, 2 und 4, 22 Abs. 1 FGG). Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde wird nicht dadurch berührt, dass sich das Verfahren nach Einlegung des Rechtsmittels durch die Entlassung des Betroffenen aus der Abschiebungshaft erledigt hat.

Allerdings hat der Senat bislang die Frage einer Fortsetzung des in der Hauptsache erledigten Verfahrens zum Zwecke der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung differenziert behandelt. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH hat er – abgesehen von den Sonderfällen der Beschränkung des Rechtsmittels auf den Kostenpunkt – in Abschiebungshaftsachen regelmäßig ein Rechtsschutzinteresse verneint und das auf Feststellung der Rechtswidrigkeit gerichtete Rechtsmittel als unzulässig verworfen (vgl. BGHZ 139, 254 = BGH FGPrax 1998, 198; OLG Zweibrücken, NVwZ-Beilage 2000, 32; 2002, 48). Vom Fortbestehen des Rechtsschutzbedürfnisses ist der Senat jedoch schon früher – unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BVerfG zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfG v. 30.4.1997 – 2 BvR 817/90, 2 BvR 728/92, 2 BvR 802/95, 2 BvR 1065/95, NJW 1997, 2163 [2164]; v. 24.3.1998 – 1 BvR 1935/96 u.a., NJW 1998, 2131 [2132]) – in den Fällen der einstweiligen Anordnung von Haft ausgegangen (vgl. OLG Zweibrücken, NVwZ-Beilage 2002, 16).

An dieser Differenzierung wird jetzt nicht mehr festgehalten. Mit Beschluss vom 5.12.2001 (BVerfG v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99, 1337/00 und 1777/00) hat das BVerfG entschieden, dass die Gewährung von Rechtsschutz bei einem Freiheitsverlust durch Inhaftierung weder vom konkreten Ablauf des Verfahrens und dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme noch davon abhänge, ob Rechtsschutz typischerweise noch vor Beendigung der Haft erlangt werden könne. Im Hinblick auf das bei Freiheitsentziehungen gegebene Rehabilitierungsinteresse bestehe vielmehr das Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer solchen Maßnahme nach deren Beendigung fort. Mit diesem Ziel bleibt daher hier die vor der Haftentlassung eingelegte sofortige weitere Beschwerde zulässig; einen ausdrücklichen Feststellungsantrag brauchte der Betroffene nicht zu stellen (Keidel/Kahl, FGG, § 27 Rz. 11 m.w.N.).

2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Die gegen den Betroffenen richterlich angeordnete Abschiebungshaft war nicht rechtswidrig; das LG hat die Voraussetzungen für die Haftanordnung ohne Verletzung des Rechts bejaht (§§ 27 Abs. 1 FGG; 546 ZPO).

Zunächst ist das LG ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die gem. § 57 AuslG für eine Haftanordnung vorauszusetzende Ausreisepflicht des Betroffenen besteht, nachdem er mit Verfügung des Landrats … vom 6.7.1999 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ausgewiesen worden ist. Das LG hat weiterhin den Haftgrund des § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AuslG mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, bejaht. Die von dem Erstbeschwerdegericht aus dem Verhalten des Betroffenen gezogenen Schlussfolgerungen verstoßen weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze und halten den Anforderungen stand, die an die tatrichterliche Überzeugungsbildung zu stellen sind. Konkrete Einwände hiergegen hat der Betroffene im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde nicht erhoben.

Die Entscheidung der Kammer erweist sich auch im Hinblick auf die Dauer der angeordneten Haft nicht als unverhältnismäßig (§ 57 Abs. 2 S. 4 AuslG). Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung innerhalb der angeordneten Haftzeit von drei Monaten nicht möglich gewesen wäre, sind nicht ersichtlich. Für die Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht sind hierbei nach §§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG, 559 ZPO die in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Tatsachen – mithin der Sachverhalt zur Zeit des Erlasses der Entscheidung des Erstbeschwerdegerichts – maßgebend (BGHZ 14...

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