Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtliche Betreuung
Leitsatz (amtlich)
Ein Betreuungsbedürfnis i.S.v. § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB besteht nicht, wenn der Betroffene psychisch krank ist, seine Angelegenheiten aber gleichwohl selbst oder mit Hilfe eines Bevollmächtigten besorgen kann.
In einem solchen Fall darf eine rechtliche Betreuung auch nicht auf ausdrücklichen Antrag des Betroffenen hin angeordnet werden.
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 17.09.2003; Aktenzeichen 8 T 387/02) |
AG Mainz (Aktenzeichen 43 XVII 252/01) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der im Jahr 1961 geborene Betroffene hat für sich die Einrichtung einer "Betreuung zur Geltendmachung von Rechten ggü. Sozialbehörden und Arbeitsamt; ggü. Ärzten und gesundheitlichen Behörden; und ggü. Geltendmachung in zivilrechtlichen Angelegenheiten" beantragt. Davon verspricht er sich Hilfe und Unterstützung bei dem von ihm eigener Darstellung nach als oftmals psychisch belastend und kränkend empfundenen Verkehr mit Behörden und sonstigen Institutionen sowie bei der Geltendmachung und Durchsetzung unterschiedlicher Rechtsansprüche, deren er sich in vielfältiger Weise berühmt.
Das AG - VormG - und im Verfahren der Erstbeschwerde das LG haben die Bestellung eines Betreuers abgelehnt, weil der Betroffene zwar nach dem Ergebnis nervenfachärztlicher Begutachtungen psychisch krank, dessen ungeachtet aber nach Überzeugung der Tatrichter doch in der Lage sei, seine Angelegenheiten in den vorbeschriebenen Bereichen selbst zu besorgen. Mit seiner zu Protokoll der Geschäftsstelle des Erstbeschwerdegerichts erklärten weiteren Beschwerde verfolgt der Betroffene weiterhin das Ziel der Anordnung rechtlicher Betreuung.
II. Die gegen die Ablehnung der Bestellung eines Betreuers gem. §§ 20, 69g Abs. 1, 27, 29 Abs. 1 und Abs. 4, 21 Abs. 2 FGG in zulässiger Weiser erhobene weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Der angefochtene Beschluss des LG beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Vielmehr tragen die den Senat als Rechtsbeschwerdegericht bindenden (§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG, § 559 ZPO) Tatsachenfeststellungen der Instanzgerichte deren Beurteilung, dass für den Betroffenen trotz der ihm attestierten paranoiden Wahnpsychose eine Betreuerbestellung nicht erforderlich ist.
1. Eine rechtliche Betreuung darf nach § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB nur angeordnet werden, wenn ein Volljähriger seine Angelegenheiten aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ganz oder teilweise nicht besorgen kann, und zwar auch nicht durch einen Bevollmächtigten. Ein derartiges Betreuungsbedürfnis besteht im Übrigen nicht schon dort, wo auch ein gesunder Volljähriger sich der Hilfe eines sachkundigen anderen (Rechtsanwalt, Steuerberater usw.) bedienen würde. Nur wenn der Betroffene psychisch bedingt außerstande ist, solche Hilfe von sich aus in Anspruch zu nehmen oder die Notwendigkeit der Inanspruchnahme zu erkennen, kommt die Bestellung eines Betreuers in Betracht. Liegen die vorbeschriebenen Voraussetzungen für ein Betreuungsbedürfnis nicht vor, ist die Einrichtung einer Betreuung auch mit Zustimmung oder - wie hier - auf ausdrücklichen Antrag des Betroffenen nicht zulässig, weil der Grundsatz der Erforderlichkeit der Betreuung öffentlichen Interessen dient, so dass der Betroffene hierauf nicht wirksam verzichten kann. Das VormG ist in Betreuungssachen auch nicht etwa einer Fürsorgebehörde gleich zu erachten (vgl. zum Ganzen OLG Köln FamRZ 1996, 249 f.; BayObLG Rpfleger 2001, 234 = NJWE-FER 2001, 151; Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1896 BGB Rz. 14 f.; 64, 86, 87; Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl., § 1896 Rz. 7).
Diese rechtlichen Grundsätze hat die Zivilkammer ihrer Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt.
2. Ob in dem aufgezeigten rechtlichen Rahmen die situativen Voraussetzungen für ein Betreuungsbedürfnis in der Person des Betroffenen erfüllt sind, ist Tatfrage.
Das LG hat dazu - zusammengefasst - folgende Feststellungen getroffen:
Der Betroffene leidet an einer chronischen paranoiden Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Er ist jedoch nicht minderbegabt, bewältigt die üblichen Anforderungen des praktischen Lebens und versteht es, wie sein Verhalten in der Vergangenheit belegt, tatsächliche und vermeintliche Rechtsansprüche aller Art zielstrebig und mit Nachdruck zu verfolgen; dazu nimmt er, wenn er es im Einzelfall für erforderlich hält, die Hilfe von ihm beauftragter Rechtsanwälte in Anspruch.
Dass die Tatrichter aus diesen tatsächlichen Umständen die Schlussfolgerung gezogen haben, eine rechtliche Betreuung sei danach für den Betroffenen nicht i.S.v. § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB erforderlich, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Denn die Tatsachenwürdigung des LG kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur dahin überprüft werden, ob der Tatrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend ermittelt (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücks...