Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Spruchverfahren bei Liquidation der AG
Leitsatz (amtlich)
Beschließt eine AG 10 Jahre nach der Übertragung ihres Vermögens an den Mehrheitsaktionär ihre Liquidation, kommt zur Überprüfung der Frage, ob den Minderheitsaktionären ein Anspruch auf angemessene Barabfindung zusteht, ein Spruchverfahren nicht in Betracht.
Normenkette
AktG § 305; SpruchG § 1
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 30.09.2004; Aktenzeichen 2 HKO 37/04) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 1) hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die der Beteiligten zu 2) im zweiten Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens für die Gerichtsgebühren wird auf 200.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist Aktionärin der G.W. AG (im Folgenden: G. AG) i.L., an der die Antragsgegnerin 99,85 % der Aktien hält. Alleinige Gesellschafterin der Antragsgegnerin ist die B. AG. Am 26.5.2003 hat die Hauptversammlung der Aktionäre die Liquidation der G. AG beschlossen; die Liquidation ist am 15.3.2004 in das Handelsregister eingetragen worden.
In dem vorliegenden Spruchverfahren will die Antragstellerin festgestellt wissen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet sei, ihr im Zusammenhang mit der beschlossenen Liquidation der G. AG eine angemessene Barabfindung anzubieten.
Der Beschlussfassung über die Liquidation ging folgende Entwicklung voraus:
Die G. AG war zwischen den Jahren 1983 und 1994 durch zwei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge als abhängige Gesellschaft an Tochtergesellschaften der B. angebunden. Die Unternehmensverträge hatten jeweils aktienrechtliche Spruchverfahren zwecks Überprüfung der Angemessenheit der den Minderheitsaktionären angebotenen Ausgleichs- und Abfindungszahlungen (§§ 304, 305 AktG) zur Folge. Mit Wirkung zum 31.12.1993/1.1.1994 hat die G. AG ihren gesamten Geschäftsbetrieb an die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin verkauft. Im November 1998 unterbreitete die Antragsgegnerin den Aktionären ein freiwilliges öffentliches Kaufangebot, das die Antragstellerin nicht angenommen hat.
Die Antragstellerin behauptet, die G. AG sei während der Dauer der Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge und danach systematisch "ausgeraubt" und bis auf das bilanzierte Kapital ihrer Vermögenswerte entkleidet worden. Sie vertritt die Auffassung, bei der Liquidation handele es sich vorliegend um einen Fall der "übertragenden Auflösung", wofür die Minderheitsaktionäre, die gegen ihren Willen aus der Gesellschaft gedrängt würden, wirtschaftlich voll zu entschädigen seien.
Die Notwendigkeit der Entschädigung ergebe sich auch unter dem Gesichtspunkt des sog. qualifiziert faktischen Konzerns. Seit 1994 habe die G. AG nicht mehr über eigenes Personal verfügt, das ihre Interessen in irgendeiner Form hätte wahrnehmen können. Das faktische Konzernverhältnis habe sich in der Weise ausgewirkt, dass von der G. AG keinerlei geschäftliche Aktivitäten mehr entfaltet worden seien. Schließlich stehe den Aktionären, die gegen ihren Willen aus der Gesellschaft gedrängt würden, wegen der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG ein Anspruch auf volle Abfindung zu.
Das LG hat das im Spruchverfahren verfolgte Feststellungsbegehren der Antragstellerin als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, für den Fall der Auflösung einer Aktiengesellschaft sehe das Gesetz ein Spruchverfahren nicht vor. Eine analoge Anwendung der Vorschriften des Spruchgesetzes komme vorliegend nicht in Betracht. Dagegen wendet sich die Beteiligte zu 1) mit der sofortigen Beschwerde.
II. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 12 SpruchG vom 12.6.2003 (BGBl. I, S. 383) zulässig.
In der Sache führt sie nicht zum Erfolg. Die Antragstellerin hat keinen im Spruchverfahren durchsetzbaren Anspruch auf Feststellung, die Antragsgegnerin sei ihr im Zusammenhang mit der Liquidation der G.W. AG zur Zahlung einer angemessenen Barabfindung verpflichtet.
Das aktienrechtliche Spruchverfahren dient grundsätzlich der Überprüfung der Angemessenheit eines geschuldeten Ausgleiches, einer Abfindung oder Zuzahlung. Ob in diesem Verfahren auch die Prüfung erfolgen kann, ob ein solcher Anspruch materiell besteht, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn man dies bejahen wollte, hat das LG jedenfalls zutreffend ausgeführt, dass die Regeln über das Spruchverfahren auf die hier zu beurteilende Fallgestaltung weder direkte noch analoge Anwendung finden.
1. Das Gesetz sieht im Fall der Liquidation einer Aktiengesellschaft (§§ 262 ff. AktG) keinen im Spruchverfahren überprüfbaren Abfindungsanspruch der Minderheitsaktionäre vor. Vielmehr wird nach der Berichtigung der Verbindlichkeiten das verbleibende Vermögen der Gesellschaft unter allen Gesellschaftern verteilt (§ 271 Abs. 1 AktG); damit wird dem Interesse auch der Minderheit an der Erzielung eines möglichst hohen Liquidationserlöses genügt.
2. Die Vorschriften über das Spru...