Leitsatz (amtlich)

Der Zweigniederlassung einer Kapitalgesellschaft, die in einem Mitgliedstaat des EG-Vertrages wirksam gegründet und dort als rechtsfähig anerkannt ist (hier: limited nach englischem Recht), kann die Eintragung ins Handelsregister auch dann grundsätzlich nicht versagt werden, wenn der tatsächliche Verwaltungssitz der Gesellschaft von Beginn an in Deutschland liegt (Abweichung von BayObLGZ 1998, 195).

 

Normenkette

EGVtr Art. 43; EGV Art. 46, 48; HGB § 13d Abs. 1 u. 2, §§ 13e, 13g

 

Verfahrensgang

AG Ludwigshafen (Aktenzeichen 7 AR 89/02)

LG Frankenthal (Pfalz) (Aktenzeichen 1 HK. T 9/02)

 

Tenor

1. Die vorbezeichnete Entscheidung des LG sowie der zugrunde liegende Beschluss des AG Ludwigshafen am Rhein vom 14.6.2002 werden aufgehoben.

Die Sache wird an das AG zurückverwiesen zur erneuten Behandlung und Entscheidung über die nachgesuchte Anmeldung nach Maßgabe der Gründe dieses Beschlusses.

2. Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die betroffene Gesellschaft ist eine beschränkt haftende Kapitalgesellschaft englischen Rechts (limited), die mit der deutschen GmbH vergleichbar ist. Sie wurde am 4.12.2001 gegründet und im Gesellschaftsregister für England und Wales unter der Firmennummer … eingetragen. Gegenstand des Unternehmens, das im Vereinigten Königreich nicht werbend tätig ist, ist die Herstellung und der Vertrieb von Video-CD-ROMs und DVDs. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 100 britische Pfund. Mit Notarurkunde vorn 24.1.2002 meldete der Direktor (Geschäftsführer) der Gesellschaft T.F. zur Eintragung ins Handelsregister eine Zweigniederlassung mit dem Sitz in Frankenthal (Pfalz) an. Nach Anhörung der am Verfahren weiter beteiligten IHK lehnte das AG am 14.6.2002 die Eintragung mit u.a. der Begründung ab, dass die Gesellschaft nicht rechtsfähig sei, weil sie im Ausland nur einen statuarischen Sitz habe.

Die dagegen eingelegte Beschwerde der Gesellschaft ist beim LG ohne Erfolg geblieben. In der sie zurückweisenden Entscheidung vom 6.12.2002, veröffentlicht in LG Frankenthal v. 6.12.2002 – 1 HK.T 9/02, NJW 2003, 762 und BB 2003, 542, wird ausgeführt: Zwar sei die Gesellschaft im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 5.11.2002 in der Rechtssache „Überseering” in Deutschland als rechts- und parteifähig anzuerkennen. Indes folge daraus nicht zugleich, dass ihre Eintragung ins Handelsregister als beschränkt haftende Gesellschaft nach englischem Recht erfolgen müsse. Unabhängig davon stehe der beantragten Eintragung einer Zweigniederlassung entgegen, dass es mangels wirtschaftlicher Betätigung der Gesellschaft im Vereinigten Königreich bereits begrifflich an einer Hauptniederlassung fehle.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Gesellschaft, mit der sie ihren Eintragungsantrag weiterverfolgt. Sie hält die Entscheidungen der Instanzgerichte für europarechtswidrig und beruft sich dafür auf die in den Art. 43 und 48 EGV garantierte Niederlassungsfreiheit innerhalb der Gemeinschaft.

II. 1. Die an keine Frist gebundene weitere Beschwerde ist statthaft (§ 27 FGG) und formgerecht eingelegt (§ 29 Abs. 1 S. 1 und 2 FGG). Die betroffene Gesellschaft ist, wie im Weiteren noch auszuführen ist, nach ihrem dafür maßgebenden Gründungsstatut rechts- und damit am Verfahren beteiligtenfähig. Ihre Befugnis zur Einlegung der weiteren Beschwerde ergibt sich gem. §§ 20 Abs. 2, 29 Abs. 4 FGG schon aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde.

2. Das sonach zulässige Rechtsmittel führt in der Sache zu einem jedenfalls vorläufigen Erfolg. Der angefochtene Beschluss des LG ist aufzuheben, weil er – wie bereits die Entscheidung des AG – auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Aus den von den Vorinstanzen angeführten Gründen darf die beantragte Eintragung der betroffenen Gesellschaft in das Handelsregister nicht abgelehnt werden.

Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:

a) Für die Eintragung einer inländischen Zweigniederlassung einer beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Hauptniederlassung im Ausland in das Handelsregister gelten die §§ 13d Abs. 1 und Abs. 2, 13e, 13g HGB.

Ist – wie im vorliegenden Fall – eine Gesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat des EG-Vertrages betroffen, sind diese Vorschriften im Lichte der Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden.

b) Im Ausgangspunkt ist richtig, dass eine Registereintragung das rechtliche Bestehen, also die Rechtsfähigkeit, der betreffenden ausländischen Gesellschaft voraussetzt (BayObLG v. 26.8.1998 – 3Z BR 78/98, BayObLGZ 1998, 195 [197] = NJW-RR 1999, 401).

Das deutsche internationale Privatrecht enthält keine Regelung des internationalen Gesellschaftsrechts. Die nationale deutsche Rechtsprechung hat bisher die Rechtsfähigkeit ausländischer Gesellschaften nach der sog. Sitztheorie beurteilt. Diese besagt, dass sich die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft nach dem Recht desjenigen Staates beurteilen, in dem sich der tatsächliche S...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge