Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitgegenstand; Berufungsbegründung; ärztlicher Behandlungsfehler, ärztliche Risikoaufklärung
Leitsatz (amtlich)
1. Die beiden Haftungstatbestände wegen ärztlicher Behandlungsfehler und wegen Aufklärungsmängeln sind wesensverschieden und nicht austauschbar. Sie bilden unterschiedliche Streitgegenstände.
2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Streitgegenstand nur insoweit, als die erste Instanz über ihn entschieden hat und in zweiter Instanz eine Abänderung dieser Entscheidung beantragt ist. Bei mehreren prozessualen Ansprüchen ist deshalb eine Berufungsbegründung für jeden Anspruch nötig.
Wendet sich der Kläger mit seiner Berufung allein gegen die Ausführungen der Zivilkammer betreffend die ärztliche Risikoaufklärung, sind sein erstinstanzlicher Vortrag hinsichtlich eines ärztlichen Behandlungsfehlers und die dahin gehenden Ausführungen der Zivilkammer in dem angefochtenen klageabweisenden Urteil einer Überprüfung durch das Berufungsgericht entzogen.
Normenkette
ZPO § 520 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Kaiserslautern vom 2.3.2005 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn und soweit nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision des Klägers gegen das Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen den Beklagten Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld geltend und begehrt die Feststellung der Ersatzverpflichtung für zukünftige materielle und immaterielle Schäden im Zusammenhang mit einer operativen ärztlichen Behandlung.
Der Beklagte ist Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten und Belegarzt am ...-Klinikum in ...
Im März bzw. April 2002 suchte der Kläger den Beklagten auf Anraten seiner Hausärztin auf, nachdem er im Bereich der rechten Halsseite einen Knoten bemerkt hatte. Der Beklagte führte eine klinische Untersuchung und eine Ultraschall-Sonographie des Halses durch und äußerte den Verdacht auf ein Lipom (gutartige Fettgewebsgeschwulst) und riet zur operativen Entfernung desselben. Die vorbereitende Operationsbesprechung fand am 28.5. 2002 statt. An diesem Tag unterzeichnete der Kläger den ihm übergebenen schriftlichen "perimed-Aufklärungsbogen" betreffend "Exstirpation oder Drainage eines Halslymphknotens". Wegen des Inhaltes dieses Aufklärungsbogens wird auf Bl. 21-23 Rs. d.A. Bezug genommen.
Am 3.6.2002 wurde der Kläger zur Durchführung der Operation im ...-Klinikum ... aufgenommen. Am Folgetag, Dienstag, den 4.6.2002, entfernte der Beklagte beim Kläger operativ die Geschwulst an der rechten Halsseite. Die Entlassung aus dem Klinikum erfolgte am 8.6.2002.
Nach der Operation hatte der Kläger Beschwerden wegen Schulterschmerzen rechts und Kraftlosigkeit bzw. Schwäche in der rechten Schulter und dem rechten Arm. Am 13.9.2002 diagnostizierte der Neurologe Dr. W. in ... eine Läsion des Nervus accessorius rechts. Nach weiterer ärztlicher Konsultation wurde am 13.3.2003 in der Neurochirurgischen Klinik des Bezirkskrankenhauses G. der Versuch einer Transplantation im Bereich des Nervus accessorius rechts unternommen. Eine Rekonstruktion scheiterte indes daran, dass das distale Ende des Nervs nicht darstellbar war.
Nach dem Untersuchungsbefund der Neurochirurgischen Klinik des Bezirkskrankenhauses G. leidet der Kläger u.a. an einem Schultertiefstand rechts auch nach aktivem Hochziehen beider Schultern sowie einer ausgeprägten Muskelatrophie im Bereich der Clavikula rechts. Der Kläger ist von Beruf Stuckateur bzw. Maler und nach seinem Vortrag im Hinblick auf die erlittenen Verletzungen zukünftig nicht mehr in der Lage, diesen Beruf vollschichtig auszuüben.
Der Kläger hat vorgetragen: Die Nervenläsion beruhe auf einem fehlerhaften operativen Eingriff am 4.6.2002 durch den Beklagten. Dieser habe ihn auch über die Risiken dieser Operation nicht ordnungsgemäß aufgeklärt.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gesetztes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 20.000 EUR, nebst Zinsen zu zahlen;
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche aus der Behandlung vom Juni 2002 entstandenen und künftig entstehenden Schäden materieller und immaterieller Art in voller Höhe zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind und soweit sie nicht bereits Gegenstand des Klageantrages zu 1. sind.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen: Ein ärztlicher Behandlungsfehler sei nicht schlüssig dargetan. Der operative Eingriff sei lege artis erfolg. Durch die sachgerecht...