Entscheidungsstichwort (Thema)
Überraschungsentscheidung nach erfolglosem Vergleichsvorschlag
Leitsatz (amtlich)
Hat das Gericht den Parteien (erfolglos) einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, stellt es eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar, wenn die Klage ohne vorherigen Hinweis als unschlüssig abgewiesen wird.
Normenkette
ZPO § 139
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 29.06.2005; Aktenzeichen 4 O 147/05) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Frankenthal (Pfalz) vom 29.6.2005 aufgehoben; die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das LG zurückverwiesen.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin führt zu einem vorläufigen Erfolg. Das Urteil der Einzelrichterin ist nicht frei von Verfahrensfehlern. Sie hat teilweise den Sachvortrag der Parteien nicht ausgeschöpft und ihre Hinweispflicht verletzt (§ 139 ZPO).
1. Die Einzelrichterin hat angenommen, die Klägerin habe nicht schlüssig dargetan, dass sie mit den in ihrer Schlussrechnung Nr. 19204 vom 23.8.2004 abgerechneten Arbeiten beauftragt worden sei. Das trifft nicht zu. Der Vortrag der Klägerin ist schlüssig.
Ein Tatsachenvortrag ist schlüssig, wenn er - seine Richtigkeit unterstellt - geeignet ist, den Klageantrag sachlich zu rechtfertigen. Die Angabe näherer Einzelheiten, die den Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, ist nicht erforderlich, soweit diese Einzelheiten für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in der Lage sein, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen (BGH NJW 1984, 2889; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., vor § 253 Rz. 23, m.w.N.).
Der Vortrag der Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen.
Sie hat vorgetragen, dass zwischen den Parteien des Rechtsstreits und der Streitverkündeten am 30.3. (bei der Streitverkündeten in K.) und am 6.4.2004 (im Büro des Architekten G.) zwei Besprechungen darüber stattgefunden hätten, welche Positionen des Nachtragsangebots vom 16.4.2004 von der Beklagten und welche von der streitverkündeten Generalunternehmerin übernommen werden sollten; die entsprechende Aufteilung sei im Nachtragsangebot entsprechend markiert worden. Unstreitig haben die Besprechungen stattgefunden, weil sich nach dem Wechsel des Generalunternehmers herausgestellt hatte, dass das Leistungsverzeichnis der ursprünglich beauftragten Generalunternehmerin, der Fa. C.G.f.I. GmbH, ungenügend war und deshalb zusätzliche Arbeiten notwendig waren, welche kostenmäßig zwischen den Parteien verteilt werden sollten.
Der Vortrag der Klägerin, dass sie von der Beklagten beauftragt worden sei, die ihrer Schlussrechnung vom 23.8.2004 zugrunde liegenden Arbeiten durchzuführen, ist somit schlüssig. Dieser Annahme steht insb. nicht entgegen, dass die Besprechungen vom 30.3. und 6.4.2004 zeitlich vor dem Nachtragsangebot vom 16.4.2004 lagen. Es ist ohne Weiteres möglich, dass bei diesen Besprechungen bereits über die im nachfolgenden Angebot vom 16.4.2004 schriftlich niedergelegten Positionen verhandelt wurde.
Wenn die Einzelrichterin wegen der Zeitabfolge die Richtigkeit des Klägervortrags bezweifelte, hätte sie die Klägerin nach § 139 ZPO zur Klarstellung auffordern müssen. Dann hätte die Klägerin - wie nunmehr in der Berufungsbegründung geschehen - klargestellt, dass - was auf der Hand liegt - das Nachtragsangebot vom 16.4.2004 bei den Besprechungen noch nicht vorlag.
Die Einzelrichterin hat der Klägerin zwar am Ende der mündlichen Verhandlung vom 20.7.2005 den Hinweis erteilt, dass ihr der "bisherige Vortrag zur Auftragserteilung ... nicht schlüssig" erscheine. Ein solcher pauschaler Hinweis genügt aber nicht. Ein Hinweis nach § 139 ZPO muss konkret und unmissverständlich sein, insb., wenn - wie hier - die Anforderungen an die Darlegung von der Bewertung des Gerichts und nicht einem substantiierten Bestreiten des Gegners abhängen (BGH NJW 2002, 3317; NJW 1999, 2123). Ein konkreter Hinweis wäre hier insb. auch deshalb erforderlich gewesen, weil die Einzelrichterin zuvor den Parteien einen Vergleichsvorschlag unterbreitet hatte, so dass ihre im Urteil geäußerte Annahme, dass die Klage unschlüssig sei, für die Klägerin überraschend war (vgl. dazu auch BGH NJW 1999, 2123).
2. Entgegen der Auffassung der Einzelrichterin ergibt sich auch aus dem Schreiben der Streithelferin vom 16.7.2004 nicht, dass bei den Besprechungen am 30.3. und 6.4.2004 keine Einigung über die Mehrungen zustande gekommen sei. Die Einzelrichterin hat den Wortlaut des Schreibens nicht ausgeschöpft.
In dem Schreiben wird bestätigt, dass die Klägerin den Nachtrag Nr. 76304/N 1 (vom 16.4.2004) eingereicht habe; dieser habe "auch Nachtragspositionen enthalten, die über den Leistungsumfang hinausgegangen und ... vom Bauherrn zu tr...