Leitsatz (amtlich)
Bei der Mitwirkung des Jugendamtes in familiengerichtlichen Verfahren, bei denen es nicht um den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung geht, ist die Erhebung von Sozialdaten bei Dritten grundsätzlich unzulässig; ein Verstoß kann zur Schadenersatzpflicht führen.
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 08.02.2012) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Frankenthal (Pfalz) vom 8.2.2012 geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 246,33 EUR zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuches seit dem 3.11.2009 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 6/7 und die Beklagte 1/7 zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt den Ersatz von außergerichtlichen Anwaltskosten sowie eines Nichtvermögensschadens wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts durcheine unzulässige Datenerhebung, die das Jugendamt des beklagten Kreises im Rahmen seiner Mitwirkung an einem Sorgerechtsverfahren betreffend das gemeinsame Kind des Klägers und dessen geschiedener Ehefrau vorgenommen habe.
Aus der geschiedenen Ehe des Klägers stammt das am 7.8.2003 geborene Kind P., welches seit der Trennung der Eltern bei der Mutter lebt. Im Ausgangsverfahren hatte das AG - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein (5c F 570/08) die Alleinsorge auf die frühere Ehefrau des Klägers übertragen. Auf die Beschwerde des Klägers hat das Pfälzische OLG Zweibrücken (2 UF 66//09)die gemeinsame elterliche Sorge wiederhergestellt.
In dem genannten Beschwerdeverfahren hatte der nunmehrige Kläger u.a. den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Durch Verfügung des Senatsvorsitzenden erhielten die Antragstellerin (Ehefrau) und das Jugendamt des Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme auf diesen Antrag. Hierauf gab das Jugendamt eine schriftliche Erklärung vom 9.4.2009 (Bl. 34-41 d.A. mit einer Dokumentation der Logopädin Bl. 42 bis 48 d.A.) ab; darin wird als Berichtsgrundlage ein Besuch im Kindergarten des Kindes P., ein Gespräch mit der Logopädin des Kindes, einer Frau U. und ein Gespräch mit einer Erziehungsberaterin der Diakonie in Frankenthal, einer Frau O., angegeben. Bei Frau O. hatten der Kläger und seine geschiedene Ehefrau nach der Trennung von Oktober 2004 bis März 2007 Beratungsgespräche geführt.
In ihrer Stellungnahme schilderte die Sachbearbeiterin des Jugendamts ein mit Mitarbeiterinnen des Kindergartens geführtes Gespräch, in dem diese das Verhalten des Klägers gegenüber der Einrichtung als durchweg negativ beschrieben. Er sei rechthaberisch gewesen, habe sich zu Unrecht für einen Ganztagskindergartenplatz eingesetzt und habe mit seinem "Hyperaktivismus" eine große Unruhe im Kollegium der Erzieherinnen verursacht. Er sei halsstarrig gewesen und habe den Kindergärtnerinnen das Wort im Mund herumgedreht.
Des Weiteren wird ein Gespräch der Sachbearbeiterin des Jugendamts mit der Logopädin U. wiedergegeben. Dabei wurden anhaltende Streitgespräche der Logopädin mit dem Kläger mitgeteilt. Dieser habe ohne ersichtlichen Grund nach der Haftpflichtversicherungsnummer der Logopädin gefragt. Laut ihren Angaben habe das Kind P. das Verhalten seines Vaters "stark gespiegelt" und sei sehr unruhig gewesen.
Schließlich schilderte die Sachbearbeiterin des Jugendamts auch ein von ihr mit Frau O. von der Erziehungsberatungsstelle geführtes Gespräch, in dem Frau O. mitgeteilt habe, die im Oktober 2004 begonnenen Beratungsgespräche seien im März 2007 beendet worden, da der Kläger wenig Kompromissbereitschaft gezeigt habe und sich in allen Punkten habe durchsetzen wollen.
Der Kläger sieht in dem Verhalten des Jugendamts eine Verletzung des Sozialgeheimnisses durch unzulässige Erhebung von Sozialdaten bei Dritten. Mit Schreiben vom 19.10.2009 (Bl. 8 d.A.) ließ der Kläger den Beklagten auffordern, die unzulässig erhobenen Sozialdaten des Klägers zu löschen und die ihm durch zweckentsprechende Rechtsverfolgung entstandenen Anwaltskosten zu ersetzen. Mit Schreiben vom 2.11.2009 (Bl. 13 d.A.) wies der Beklagte das Begehren des Klägers vollumfänglich zurück und machte geltend, das Handeln der Sachbearbeiterin des Jugendamts sei rechtmäßig gewesen. Auf das weitere Aufforderungsschreiben des Klägers vom 20.11.2009 (Bl. 15 d.A.) teilte der Beklagte mit Schreiben vom 9.12.2009 (Bl. 18 d.A.) mit, aufgrund der Einlassungen des Klägers bestehe datenschutzrechtlicher Klärungsbedarf, weshalb der Landesbeauftragte für den Datenschutz Rheinland-Pfalz um eine Beurteilung gebeten worden sei. Diese kam in seiner an den Beklagten gerichteten schriftlichen Stellungnahme vom 21.1.2010 (Bl. 27 d.A.) zu dem Ergebnis, dass die Datenerhebung durch die Sachbearbeiterin des Jugendamtes bei den oben genannten dritten Stellen im Rahmen der Mitwirkung des Jugendamts ...