Verfahrensgang

VG Berlin (Beschluss vom 17.01.2000; Aktenzeichen 4 A 441.99)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Januar 2000 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz werden dem Antragsgegner auferlegt.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für die zweite Rechtsstufe auf 6.391,15 EUR (12.500 DM) festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin betreibt seit Mai 1998 unter dem Namen … in der … Berlin, einen sogenannten Swinger-Club. Dessen Betriebskonzept unterbreitete sie dem Antragsgegner mit Schreiben vom 22. September 1998 im Wesentlichen wie folgt: Sie wolle Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, in denen Erwachsene verschiedene Erholungsmöglichkeiten nutzen könnten, z.B. Sauna, Dampfbad, Solarium und Ruheflächen. Zusätzlich sollten alkoholische und alkoholfreie Getränke angeboten werden. Insbesondere sollten sich Berliner Paare dort treffen können. Es sei vorgesehen, einen Verein zu gründen und nur Vereinsmitgliedern den Zutritt zu gewähren. Kindern und Jugendlichen sei der Beitritt in den Verein nicht gestattet. Der Zutritt zu den Gewerberäumen werde ausschließlich über eine Klingelanlage möglich sein. Mit Bescheid vom 3. November 1998 erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin die Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Betreiben einer Schankwirtschaft ohne besondere Betriebseigentümlichkeit. Der Erlaubnis war unter anderem die Auflage beigefügt, dass den Gästen in den Gast- und Nebenräumen des Betriebes weder durch Beschäftigte noch durch andere (Dritte) die Durchführung des Geschlechtsverkehrs oder anderer sexueller Handlungen gegen Entgelt angeboten werden dürfe. Durch Bescheid vom 4. Oktober 1999 widerrief der Antragsgegner unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Gaststättenerlaubnis und forderte die Antragstellerin unter Androhung unmittelbaren Zwangs zur Einstellung des Betriebes auf. Zur Begründung des auf § 15 Abs. 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG gestützten Widerrufs führte er im Wesentlichen aus: Die Antragstellerin leiste der Unsittlichkeit Vorschub. Die Gaststätte sei als bordellartiger Betrieb anzusehen, weil in ihren Räumen gegen Entgelt die Möglichkeit des Geschlechtsverkehrs angeboten werde. Es sei unerheblich, dass die Zahlung nicht unmittelbar für den Geschlechtsakt verlangt werde, sondern Beträge z.B. für Eintritt, teure Getränke sowie Clubmitgliedschaft erhoben würden, die den Besuchern letztendlich die Durchführung des Geschlechtsverkehrs ermöglichten. Indem die Antragstellerin ständig gegen die ihr erteilte Auflage, sexuelle Handlungen gegen Entgelt anzubieten, verstoße, zeige sie deutlich ihre Unzuverlässigkeit. Mit Bescheid vom 12. Oktober 1999 setzte der Antragsgegner das Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs fest.

Mit Beschluss vom 17. Januar 2000 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 4. Oktober 1999 erhobenen Klage (VG 4 A 442.99) sowie ihres gegen den Bescheid vom 12. Oktober 1999 eingelegten Widerspruchs im Wesentlichen mit folgender Begründung wiederhergestellt bzw. angeordnet. Nach summarischer Prüfung bestünden an der Rechtmäßigkeit des Erlaubniswiderrufs erhebliche Zweifel, denn es begegne durchgreifenden Bedenken, ob die Antragstellerin der Unsittlichkeit Vorschub leiste. Ob Gewerbebetriebe, in denen es auf freiwilliger, unentgeltlicher Grundlage zu geschlechtsbezogenen Handlungen komme, den guten Sitten zuwiderlaufen, sei in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Es sei nicht erkennbar, dass sich gegen die Ausbreitung von Swinger-Clubs oder vergleichbarer Einrichtungen in der Bevölkerung oder zumindest in der behördlichen Praxis deutlicher Widerspruch geregt habe. Sollte die Antragstellerin keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen haben, um den Zutritt von Jugendlichen zu verhindern oder solche Personen von dem Besuch der Gaststätte abzuhalten, die mit dem dortigen Geschehen nicht konfrontiert werden wollen, erscheine jedenfalls der Widerruf der Gaststättenerlaubnis unverhältnismäßig, da dieser Personenkreis ausreichend durch geeignete Auflagen geschützt werden könne. Gleiches gelte, soweit von dem Betrieb Lärmbelästigungen (etwa durch Geschlechtsverkehrgestöhne) oder andere Beeinträchtigungen insbesondere für die benachbarte Grundschule (etwa durch umherliegende Kondome und Spritzen sowie halbnackte Gäste auf der Straße) ausgehen sollten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die vom Senat zugelassene Beschwerde des Antragsgegners ist nicht begründet. Mit Recht hat das Verwaltungsgericht gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 4. Oktober 1999 und ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 12. Oktober 1999 wiederhergestellt bzw. angeordnet. Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung bestehen an der Rechtmäßigkeit der von der Antragstellerin angegriffenen Maßnahmen beachtliche Zweifel, die das Interesse des An...

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