Entscheidungsstichwort (Thema)
Baurecht. Nutzungsuntersagung. bordellartiger Betrieb. Wohngebiet. Mischgebiet. Prostitution
Leitsatz (amtlich)
1. In allgemeinen Wohngebieten und Mischgebieten sind bordellartige Betriebe grundsätzlich planungsrechtlich unzulässig.
2. Zur Beurteilung eines „Massagestudios” als bordellartiger Betrieb.
Normenkette
BauGB § 34 Abs. 2; BauNVO §§ 4, 6; BauO Bln § 70 Abs. 1; ProstG v. 20.12.2001 (BGBl. I S. 3983) Art. 1 § 1 S. 1
Verfahrensgang
VG Berlin (Beschluss vom 12.12.2002; Aktenzeichen 13 A 404.02) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Dezember 2002 geändert.
Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Nutzungsuntersagung des Antragsgegners vom 13. Juni 2002 wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen, wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für die zweite Rechtsstufe auf 13.250 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der mit dem Widerspruch angefochtenen Verfügung des Antragsgegners vom 13. Juni 2002, durch die ihm unter Zwangsgeldandrohung die gegenwärtige und künftige Nutzung der Räume im ersten Obergeschoss des Gebäudes auf seinem Grundstück … in Berlin- … für einen bordellartigen Betrieb untersagt wird. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO mit der Begründung stattgegeben, der als „Massagestudio …” bezeichnete Betrieb sei nicht als bordellartiger Betrieb einzustufen. Unter Berücksichtigung der Einlassungen der Mieterin der Wohnung, der Ausstattung der Betriebsräume sowie der Betriebszeiten von Montag bis Sonnabend zwischen 10.00 und 20.00 Uhr gelangt das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass es sich nicht um einen Betrieb handele, in dem Sex im Vordergrund stehe und Geschlechtsverkehr durch Prostituierte angeboten würde, sondern um einen Massagebetrieb mit erotischen Elementen, den Männer und wohl auch Frauen in erster Linie zum Zwecke der körperlichen Entspannung aufsuchten und dabei keinen Geschlechtsverkehr beabsichtigten.
Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Anordnung überwiegt das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung vorerst verschont zu bleiben.
Die auf § 70 Abs. 1 BauO Bln gestützte Untersagungsanordnung ist bei summarischer Prüfung rechtmäßig. Die Aufnahme des unter der Bezeichnung „Massagestudio …” geführten Betriebes ist als Nutzungsänderung gemäß § 55 Abs. 1 BauO Bln formell genehmigungsbedürftig und wegen planungsrechtlicher Unzulässigkeit nicht genehmigungsfähig.
Bei dem „Massagestudio” im ersten Obergeschoss des Gebäudes … handelt es sich um einen bordellartigen Betrieb.
Bei dieser Charakterisierung der Betriebsform ist kein zu eng gefasster Begriff der Prostitution zugrunde zu legen. Darunter ist die entgeltliche Vornahme sexueller Handlungen mit – zumeist – wechselnden Partnern zu verstehen (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl. 2003, § 180 a Rdnr. 3 und Art. 1 § 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten [Prostitutionsgesetz – ProstG –] vom 20. Dezember 2001 [BGBl. I S. 3983]), wobei der Begriff der sexuellen Handlung alle Modalitäten und Varianten der den jeweiligen Partner sexuell stimulierenden Betätigungen umfasst. Die so umschriebenen Merkmale der Prostitution, die die Gewerbetätigkeit in der Wohnung als bordellartigen Betrieb qualifiziert, werden durch die dort beschäftigten Frauen zweifelsfrei erfüllt. Diesen Schluss lassen – ungeachtet der dafür gewählten, den eigentlichen Betriebscharakter verdeckenden Bezeichnung als „Massagestudio” – die die konkrete Betriebsform kennzeichnenden gesamten Umstände zu. Das gilt vor allem für die dort praktizierte Art der auch den Genitalbereich erfassenden Ganzkörpermassage durch Frauen mit unbekleidetem Oberkörper sowie die spezifische Form der Zeitungsanzeigenwerbung für den Betrieb. Dass hierbei in erster Linie eine Wellness-Massage mit lediglich erotischem Einschlag, nicht aber ein vorwiegend auf die sexuelle Stimulation ausgerichteter Kontakt stattfindet, ist unglaubhaft. Für diese Beurteilung kommt den Feststellungen des den Betrieb überprüfenden Polizeibeamten vom 9. April 2002, dem vor der Offenbarung seiner amtlichen Funktion ein eindeutig in dieser Richtung gehendes Angebot gemacht wurde, ein wesentlich zuverlässigerer Erkenntniswert zu, als den Angaben der naturgemäß auf die Vermeidung der Einstufung des Betriebs als bordellartig bemühten Mieterin der Wohnung und Betreiberin des „Massagestudios” bei der angekündigten Ortsbesichtigung durch die Kammer des Verwaltungsgerichts. Keinen Zweifel an dem sexuellen Charakter der in der Wohnung angebotenen Dienstleistungen lassen zudem die unter der Rubrik der Kontaktanzeigen „Sie für ihn” inmitten entsprechender Anzeigenwerbungen im „Berliner Kuri...