Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Insolvenzverwalter. Steuerschulden. Insolvenzanfechtung. Auskunftsanspruch. Informationszugang gegenüber dem Finanzamt zur Durchsetzung einer Insolvenzanfechtung. Zumutbarkeit der am Rechtsstreit wirtschaftlich Beteiligten, die Kosten aufzubringen. wirtschaftlicher Wert des Anspruchs nach dem IFG Bln. Zumutbarkeit der Aufbringung eines Kostenvorschusses zur Durchführung eines auf das Berliner Informationsfreiheitsgesetz gestützten Verfahrens für Insolvenzgläubiger bei Erfolgsabhängigkeit von der Auswertung noch unbekannter Informationen

 

Leitsatz (amtlich)

Orientierung: Den Insolvenzgläubigern kann die Aufbringung eines Kostenvorschusses zur Durchführung eines auf das Berliner Informationsfreiheitsgesetz gestützten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht zugemutet werden, wenn der Erfolg einer Insolvenzanfechtung von der Auswertung der noch unbekannten Informationen abhängt.

 

Normenkette

IFG Bln § 2 Abs. 1 S. 1; AO § 30; ZPO § 116 S. 1 Nr. 1; IFG Bln § 3 Abs. 1; IFG Bln § 13; IFG Bln § 17 Abs. 4; GKG § 52 Abs. 2

 

Verfahrensgang

VG Berlin (Beschluss vom 15.10.2010; Aktenzeichen VG 2 K 31.10)

BFH (Entscheidung vom 07.12.2006; Aktenzeichen V B 163/05)

BGH (Beschluss vom 06.03.2006; Aktenzeichen II ZB 11/05)

BVerfG (Entscheidung vom 03.03.1990; Aktenzeichen 2 BvR 94/88)

 

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15. Oktober 2010 wird geändert. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und ihm Rechtsanwalt Ebersbach, Berlin, beigeordnet, soweit er mit seiner Verpflichtungsklage Informationszugang begehrt zu Vollstreckungsprotokollen und Quittungsdurchschriften hinsichtlich Zahlungen, die dem Schreiben des Beklagten vom 20. Januar 2009 zufolge durch Vollstreckungsbeamte beigetrieben worden sind, und soweit er Informationszugang zu Barzahlungsquittungen begehrt, die die in dem Schreiben genannten selbstbestimmten Zahlungen betreffen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger die Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn S. Dieser tilgte einen Teil seiner Steuerrückstände gegenüber dem Finanzamt R. in Höhe von rund 114.000 Euro durch selbstbestimmte Zahlungen bzw. im Wege der Beitreibung durch Vollziehungsbeamte. Insoweit erklärte der Kläger gegenüber dem Finanzamt die Insolvenzanfechtung und bat um Überweisung des Anfechtungsbetrages zuzüglich Zinsen in Höhe von insgesamt rund 120.000,00 Euro. Außerdem begehrte er mangels vorhandener Nachweise Zugang nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz zu den bei dem Finanzamt geführten, Herrn S. betreffenden Vollstreckungsakten. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse sollen der Durchsetzung der Insolvenzanfechtung dienen. Nachdem das Finanzamt nicht reagiert hatte, nahm der Kläger verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Insoweit hat er nach § 166 VwGO in Verbindung mit §§ 114, 121 ZPO einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das erstinstanzliche Verfahren, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig (1.). Außerdem sind auch die hier maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO erfüllt (2.).

1.

a)

Die Klage hat keine Aussicht auf Erfolg, soweit der Kläger hinsichtlich der in dem Schreiben des Beklagten vom 20. Januar 2009 angeführten selbstbestimmten Zahlungen Informationszugang zu Bankkontoauszügen in den Fällen einer Zahlung durch Überweisung begehrt. Dem insoweit erstmals im gerichtlichen Verfahren erhobenen Anspruch gemäß § 3 Abs. 1 des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes (IFG Bln) steht entgegen, dass der Kläger zuvor keinen entsprechenden Antrag bei dem Beklagten gestellt hat (§ 13 IFG Bln). Ausweislich der an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 16. September 2009 und vom 22. Dezember 2009 bezieht sich das im Verwaltungsverfahren geltend gemachte Informationsbegehren nur auf selbstbestimmte Zahlungen, die nicht durch Überweisung erfolgt sind.

b)

Hinsichtlich des übrigen Verpflichtungsbegehrens (Informationszugang zu Vollstreckungsprotokollen und Quittungsdurchschriften, die durch Vollstreckungsbeamte beigetriebene Zahlungen betreffen, sowie Informationszugang zu Barzahlungsquittungen für selbstbestimmte Zahlungen) hat die Klage Aussicht auf Erfolg.

Die Bejahung hinreichender Erfolgsaussichten setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Prozesserfolg schon gewiss ist. Es genügt vielmehr eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die jedenfalls dann gegeben ist, wenn der Ausgang des Verfahrens offen ist und ein Obsiegen ebenso in Betracht kommt wie ein Unterli...

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