Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Organisationsverschulden
Leitsatz (amtlich)
1. Wird eine Frist versäumt, weil ein Rechtsanwalt am letzten Tag der Frist den fristwahrenden Schriftsatz infolge des Gebrauchs einer veralteten Telefonbuch-CD nicht an die aktuelle Telefax-Nr. des Gerichts faxt oder faxen lässt, liegt ein Anwaltsverschulden vor.
2. Dasselbe gilt, wenn entsprechend anwaltlicher Weisung eine Frist im Fristkalender bereits zu dem Zeitpunkt gelöscht wird, an dem ein fristgebundener Schriftsatz mit der Weisung, ihn unverzüglich an das Gericht zu faxen, einer Auszubildenden übergeben wird, selbst wenn die Auszubildende ermahnt wird, beim Scheitern der Fax-Übertragung den Anwalt oder dessen Sekretärin zu informieren, aber eine Kontrolle unterbleibt und die Auszubildende den Schriftsatz zur Seite legt und vergisst.
Normenkette
VwGO § 57 Abs. 2; ZPO § 222 Abs. 1; BGB §§ 187-188; VwGO § 60
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Urteil vom 09.02.2007; Aktenzeichen 11 K 300/05) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9. Februar 2007 – 11 K 300/05 – wird verworfen.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 30.169,33 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Heranziehung des Klägers eines Gewerbebetriebes zu Niederschlagswassergebühren für ein in der Gemeinde C-Stadt gelegenes Betriebsgelände für die Jahre 1996 bis 1999 in einer Gesamthöhe von 30.169,33 EUR. Die gegen die einschlägigen Gebührenbescheide nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 9.2.2007 abgewiesen. Dieses Urteil ist dem Kläger am 23.02.2007 zugestellt worden; am 21.03.2007 hat dieser um die Zulassung der Berufung nachgesucht und seinen Antrag mit Schriftsatz vom 23.04.2007, der per Telefax am 24.04.2007 beim Oberverwaltungsgericht einging, begründet.
Auf den Hinweis des Senats, dass die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung verspätet eingegangen ist, beantragt der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und führt aus, der Schriftsatz mit der Begründung sei am 23.04.2007 geschrieben worden. Zur Fristwahrung habe er per Telefax versandt werden sollen. Es sei aber übersehen worden, dass das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes seinen Sitz verlegt und sich deshalb die Telefax-Nummer geändert hat. Die Sekretärin des sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten des Klägers, Frau A, habe der Auszubildenden R den Schriftsatz zur Übersendung an das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes gegeben. Diese sei angewiesen, für den Fall, dass ein Schriftstück nicht per Telefax versandt werden könne, mit dem zuständigen Rechtsanwalt oder mit der Sekretärin Rücksprache zu nehmen. Die Auszubildende habe am 23.04.2007 um 16.34 Uhr und 16.44 Uhr versucht, die Begründung per Telefax an die frühere Fax-Nummer des Gerichts zu senden. Als dies nicht möglich gewesen sei, habe sie jedoch nicht bei der zuständigen Sekretärin nachgefragt, ob die Fax-Nummer richtig sei, sondern den Schriftsatz beiseite gelegt und erst am 24.04.2007 die Sekretärin hiervon in Kenntnis gesetzt. Es sei dann die falsche Nummer festgestellt und der Schriftsatz um 8.30 Uhr per Telefax versandt worden. Die falsche Nummer sei aus einer Telefonbuch-CD vom Mai 2005 herausgesucht worden.
Der Beklagte ist dem Wiedereinsetzungsantrag entgegen getreten.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 09.02.2007 ist unzulässig, da er nicht innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO begründet wurde. Danach sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des angegriffenen Urteils darzulegen. Hierauf wurde in einer der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung beigefügten Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hingewiesen.
Das erstinstanzliche Urteil wurde dem Kläger am 23.02.2007 zugestellt; die Begründungsfrist von zwei Monaten ist daher nach Maßgabe der §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 187, 188 BGB am 23.04.2007 abgelaufen. Die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung ist jedoch erst am 24.04.2007, also verspätet beim Oberverwaltungsgericht des Saarlandes eingegangen.
Die Voraussetzungen für die mit Schriftsatz vom 30.04.2007 beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO liegen nicht vor. Denn der Kläger war nicht ohne Verschulden gehindert, die Frist einzuhalten. Die Versäumung der Frist beruht auf einem Verschulden der Prozessbevollmächtigten des Klägers, dass dieser sich nach § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss.
Das Verschulden der Prozessbevollmächtigten des Klägers besteht vorliegend darin, dass diese – erstens – keine zweckmäßige Büroorganisation besitzen und – zweitens – die von ihnen eingesetzten Hilfspersonen nicht mit der erforderlichen Sorgfa...