Entscheidungsstichwort (Thema)

Normenkontrollantrag gegen Festlegung von Windenergievorranggebieten im Landesentwicklungsplan

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Kreis der „Rechtsvorschriften”, die nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für „unwirksam” erklärt werden können, gehören neben Satzungen und Rechtsverordnungen auch nicht förmlich als Norm erlassene, aber abstrakt-generell mit Außenwirksamkeitsanspruch versehene „Regelungen” wie beispielsweise Zielvorgaben (§ 3 Nr. 2 ROG) in Raumordnungs- und Landesentwicklungsplänen, hier die Festlegung von Vorranggebieten für die Nutzung der Windenergie, die anders als die lediglich Maßgaben für nachfolgende Ermessens- und Abwägungsentscheidungen enthaltenden Grundsätze der Raumordnung (§ 3 Nr. 3 ROG) nach § 4 Abs. 1 ROG von öffentlichen Stellen bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu beachten sind, daher „Letztentscheidungscharakter” haben und nicht im Wege (späterer) Abwägung von Planungsträgern überwunden werden können (§ 1 Abs. 4 BauGB).

2. Der Eigentümer eines Grundstücks in der Umgebung eines festgelegten Vorranggebietes für Windenergie ist, anders als etwa die in ihrer Planungshoheit nach Maßgabe des Anpassungsgebots (§ 1 Abs. 4 BauGB) durch die landesplanerische Zielvorgabe unmittelbar betroffenen Standortgemeinden, möglicherweise bei gebietsnahen Festlegungen mit Blick auf § 2 Abs. 2 BauGB sogar Nachbargemeinden, oder die durch anderweitige Standortvorgaben über § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB „regelmäßig” an der Nutzung eigener Außenbereichsgrundstücke zur (betriebsunabhängigen) Windkrafterzeugung gehinderten Grundeigentümer für das Normenkontrollverfahren gegen solche Zielvorgaben der Raumordnung nicht antragsbefugt. Ihm bleibt es unbenommen für den Fall einer Genehmigung von Windkraftanlagen in dem Vorranggebiet etwaige Abwehrrechte gegenüber der Genehmigungsentscheidung geltend zu machen. Rechtsnachteile durch die bekämpfte landesplanerische Festlegung und – dem entsprechend umgekehrt gesprochen – rechtliche Vorteile durch die Unwirksamkeitserklärung im Normenkontrollverfahren ergeben sich nicht.

 

Normenkette

ROG § 3 Nrn. 2-3, § 4 Abs. 1; BauGB § 35 Abs. 3 S. 3, § 1 Abs. 4, § 2 Abs. 2

 

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen die Ausweisung eines Vorranggebiets für Windenergie „H” in B-H durch den neu gefassten Teilabschnitt „Umwelt (Vorsorge für Flächennutzung, Umweltschutz und Infrastruktur)” des Landesentwicklungsplans aus dem Jahre 2004 (LEP Umwelt 2004). Das Gebiet liegt nördlich der Ortslage von H an der Grenze zur Nachbargemeinde L. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des mit ihrem Wohnhaus bebauten, nach ihren Angaben „nur ca. 520 m” entfernten Anwesens Nr. 11 an der R Straße. Diese verläuft östlich des Vorranggebiets und verbindet H mit der Ortslage von R (L).

Landesplanerische Aussagen in Gestalt von Vorranggebieten für Windenergie wurden im Saarland erstmals im Jahre 1999 mit der Sechsten Änderung des alten Landesentwicklungsplans Umwelt getroffen. Im Jahr 2001 leitete das zuständige Ministerium die Fortschreibung des Landesentwicklungsplans Umwelt ein. Dessen streitgegenständlicher Fassung aus dem Jahre 2004 gingen mehrere Entwürfe voraus. Bei der Erarbeitung des 3. Änderungsentwurfs wurde unter dem Aspekt der Windenergienutzung die Möglichkeit der Erweiterung bis dahin in Aussicht genommener Vorranggebiete untersucht. Unter dem 18.12.2002 legte die Fachabteilung für Naturschutz beim Ministerium für Umwelt Unterlagen vor, die verschiedene Gebiete ausweisen, in denen unter dem Aspekt des Vogelschutzes die Darstellung von Vorranggebieten für die Nutzung der Windenergie entweder generell ausgeschlossen (sog. „Tabugebiete”) oder nur nach Erstellung standortbezogener avifaunistischer Einzelgutachten („Konfliktgebiete”) vorgenommen werden sollte. Nach Anlegung weiterer Ausschlusskriterien wurde eine Übersichtskarte erarbeitet, die die danach potenziell in Betracht kommenden Gebiete ausweist. Der auf der Grundlage dieser Materialien erstellte 3. Entwurf des (neuen) LEP Umwelt vom 16.5.2003 sah nach der zeichnerischen Umsetzung den nunmehr zwischen den Beteiligten umstrittenen Bereich nicht als Vorrangfläche für Windenergie („VE”), sondern als Vorranggebiet für Landwirtschaft („VL”) vor.

Der Entwurf war Gegenstand der Sitzung des Ministerrats am 6.5.2003. In der Vorlage heißt es (Abschnitt 2.6) hinsichtlich der Vorranggebiete für die Windenergie, die fachlichen Grundlagen für deren Festlegung seien auf eine neue Basis gestellt worden. Um die Akzeptanz bei der Bevölkerung zu erhöhen, sei ein Abstand von 1000 m zu den Ortslagen gewählt worden. Ferner seien die landesplanerisch festgelegten Vorranggebiete für Naturschutz („VN”), für Freiraumschutz („VFS”), für Gewerbe, Industrie und Dienstleistungen („VG”) sowie avifaunistisch wertvolle Gebiete auf der ...

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