Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtsangemessene Alimentation kinderreicher Beamter
Leitsatz (amtlich)
1. Die Alimentation von Beamten der Besoldungsgruppe A 11 mit vier Kindern im Jahr 2004 entspricht nicht den konkreten und weiterhin bindenden Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in dessen Beschluss vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/91 –, BVerfGE 99, 300 (321 ff. zu C III 3). Dagegen sind diese Vorgaben in den Jahren 2005 und 2006 für vorgenannte Beamte erfüllt.
2. Die Vollstreckungsanordnung ist – bis einschließlich des Jahres 2006 – nicht wegen Änderungen bei den Berechnungsgrundlagen gegenstandslos geworden. Insbesondere stehen die unterschiedlichen Regelungen der jährlichen Sonderzuwendungen in Bund und Ländern seit dem 1.1.2004 sowie das Außer-Kraft-Treten des Bundessozialhilfegesetzes mit Ablauf des 31.12.2004 der Anwendbarkeit der Vollstreckungsanordnung nicht entgegen.
3. Zahlungsansprüche auf zusätzliche kindbezogene Leistungen für dritte und weitere Kinder unter Berufung auf die Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 24. November 1998 in der Interpretation des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 17. Juni 2004 – 2 C 34.02 – müssen zeitnah, d.h. im jeweils laufenden Haushaltsjahr, geltend gemacht werden.
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 5, Art. 100 Abs. 1; BBesG § 2 Abs. 1; BVerfGG § 31 Abs. 2 S. 2, § 35
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Urteil vom 16.05.2006; Aktenzeichen 3 K 28/05) |
Tenor
Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen des Klägers und des Beklagten wird das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Mai 2006 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 3 K 28/05 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für das Jahr 2004 62,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07. März 2005 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen, soweit Ansprüche des Klägers auf zusätzliche kindbezogene Leistungen für die Zeit vom 01. Mai 2002 bis zum 31. Dezember 2003 abgelehnt wurden; im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, seit dem 01.10.2003 Steueramtmann (Besoldungsgruppe A 11) in der saarländischen Finanzverwaltung, verheiratet und Vater von vier am 29.10.1993, am 11.08.1999 sowie am 12.05.2002 (zwei) geborenen Kindern, beantragte mit Schreiben vom 01.12.2004 unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.06.2004 eine nachträgliche Erhöhung des Familienzuschlags für das dritte Kind und weitere Kinder ab dem 01.05.2002.
Durch Bescheid vom 18.01.2005 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betreffe einen Einzelfall ohne Bindungswirkung für ähnliche oder vergleichbare Fälle. Der Gesetzgeber habe mit besoldungsrechtlichen Regelungen sowie weiteren allgemeinen steuerrechtlichen und sozialpolitischen Verbesserungen der vergangenen Jahre die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu den kindbezogenen Leistungen für dritte und weitere Kinder von Beamten berücksichtigt.
Den hiergegen mit Schreiben vom 11.02.2005 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 17.02.2005 zurück. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts stehe einem Beamten der Besoldungsgruppe A 14 mit drei Kindern ein höherer Familienzuschlag zu, soweit die gesetzlich bestimmte Besoldung nicht den Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.11.1998 entspreche. Dabei gehe das Bundesverwaltungsgericht offensichtlich davon aus, dass die Regelungen zum Familienausgleich dem Grunde nach nicht zu beanstanden seien. Aufgrund des Gesetzesvorbehalts in § 2 Abs. 1 BBesG, der für die gesamte Beamtenbesoldung gelte, sei ein höherer Familienzuschlag für dritte und weitere Kinder nicht möglich.
Mit am 07.03.2005 eingegangener Klage hat der Kläger vorgetragen, der Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, nur nach den Besoldungsgesetzen abrechnen zu dürfen. Der vollstreckbaren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts komme indes dieselbe materielle Gesetzeskraft zu. Er sei daher durch Urteil zur Abrechnung und Zahlung anzuhalten. Der Beklagte übersehe bereits, dass der Regelsatz der Sozialhilfe zwischen 2000 (182,53 EUR) und 2004 (192.– EUR) moderat gestiegen sei. Es dürfe daher nicht einseitig auf marginale Verbesserungen, etwa beim Kindergeld, abgestellt werden. Unter Berücksichtigung des Regelsatzes Sozialhilfe (192.– EUR), eines Lernmittelzuschusses bei Sozialhilfe (5,27 EUR), der anteiligen Unterkunftskosten (140,31 EUR gemäß beiliegender Anlage), der Fahrkosten für die Schule (37.– EUR) sowie der Bekleidungsbeihilfe (23,86 EUR) ergebe sich abzüglich des Kindergeldes von 154.– EUR ein Betrag in Höhe von 244, 44 EUR. Bei einer Erhöhung um 15 % ergebe sich ein Gesamtbedarf von 281,11 EUR, der durch den Familienzuschlag für das d...