Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendigkeit einer Eignungsprüfung bei Vorliegen der Voraussetzungen von FeV § 28 Abs 4 Nr 4 Alt 1
Leitsatz (amtlich)
1. Die in § 28 Abs. 4 Nr. 4 1. Alt. FeV a.F. getroffene Regelung, nach der eine während einer laufenden Sperrfrist erteilte Fahrerlaubnis ihren Inhaber nicht berechtigt, im Inland Kraftfahrzeuge zu führen, ist europarechtskonform.
2. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift vor, so fehlt dem Fahrerlaubnisinhaber die oben bezeichnete Berechtigung, ohne dass es des Erlasses eines Aberkennungsbescheids nach vorausgegangener negativer Eignungsprüfung bedarf.
3. Eine als “Aberkennung” bezeichnete Verfügung kann in einen feststellenden Verwaltungsakt des Inhalts, dass der Fahrerlaubnisinhaber nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt ist, umgedeutet werden
Normenkette
RL 91/439/EWG Art. 1 Abs. 2, Art. 8 Abs. 2, 4; GG Art. 103 Abs. 2; FeV § 28 Abs. 4 Nr. 4 Alt. 1, Abs. 5; StVG § 21a; StGB § 69a Abs. 5 S. 2
Nachgehend
Tenor
Die Berufung gegen das ohne mündliche Verhandlung ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 24. Februar 2010 – 10 K 1528/09 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der durch Bescheid des Beklagten vom 15.4.2009 verfügten Nichtanerkennung des Rechts des Klägers, mit seiner am 16.10.2007 in der Tschechischen Republik erworbenen Fahrerlaubnis im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen.
Dem 1966 geborenen Kläger wurde seine 1988 erworbene Fahrerlaubnis erstmals durch Urteil des Amtsgerichts Merzig vom 17.3.1998 wegen einer Trunkenheitsfahrt bei einem Blutalkoholgehalt von 2,39 Promille entzogen. Die am 14.12.1998 neu erteilte Fahrerlaubnis wurde durch Urteil des Amtsgerichts Merzig vom 4.4.2000 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr (1,4 Promille) entzogen. Aufgrund des positiven medizinisch-psychologischen Eignungsgutachtens vom 27.12.2002, das mit Blick auf die damals vom Kläger behauptete Alkoholabstinenz seit März 2001 erstellt worden war, erhielt der Kläger am 7.2.2003 eine neue Fahrerlaubnis. Bereits zuvor, am 21.9.2002, war der Kläger mit einem Blutalkoholgehalt von 2,02 Promille als Führer eines Kraftrades auffällig geworden, was am 29.8.2003 zur Verurteilung durch das Amtsgericht Merzig wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und ohne Versicherungsschutz unter Verhängung einer isolierten Sperrfrist von zwei Jahren führte. Nachdem der Beklagte von dieser Verurteilung Kenntnis erlangt hatte, entzog er dem Kläger die Fahrerlaubnis durch Verfügung vom 20.8.2004 erneut. Die hiergegen erhobene Klage wurde durch Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 30.1.2008 – 10 K 56/07 – abgewiesen. Zwischenzeitlich verfügte der Kläger nach Verlegung seines Wohnsitzes nach Luxemburg über eine im Wege des Umtausches gegen die Fahrerlaubnis vom 7.2.2003 erworbene luxemburgische Fahrerlaubnis, die indes durch dortige Verfügung vom 16.6.2005 nach Bekanntwerden der Vorgeschichte entzogen wurde. Am 25.11.2005 erging ein weiteres Urteil des Amtsgerichts Merzig, diesmal wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen (14. und 16.10.2004), das auf die hinsichtlich des Strafmaßes eingelegte Berufung des Klägers durch Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 5.4.2007 durch Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe von vier Monaten zur Bewährung und Verkürzung der Sperrfirst von zwei Jahren auf sechs Monate abgeändert wurde. Dieses Urteil ist nach Rücknahme der seitens der Staatsanwaltschaft Saarbrücken eingelegten Revision am 5.7.2007 rechtskräftig geworden.
Am 16.10.2007 erwarb der Kläger in der Tschechischen Republik die Fahrerlaubnis der Klassen A und B. In dem Führerschein ist als sein Wohnort die tschechische Gemeinde Stribro vermerkt.
Nach Kenntniserlangung von diesem Fahrerlaubniserwerb und Anhörung des Klägers erließ der Beklagte die Verfügung vom 15.4.2009, in der es unter Nr. 1 heißt “Hiermit wird Ihnen das Recht aberkannt, mit Ihrer tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen”, und begründete dies damit, dass die tschechische Fahrerlaubnis noch während des Laufs der sechsmonatigen Sperrfrist ausgestellt worden sei.
Der Antrag des Klägers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines am 24.4.2009 erhobenen Widerspruchs gegen die Verfügung des Beklagten vom 15.4.2009 wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 31.7.2009 – 10 L 468/09 – zurückgewiesen; die Beschwerde des Klägers blieb ohne Erfolg (Beschluss des Senats vom 25.9.2009 – 1 B 430/09 –).
Am 15.10.2009 hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht des Saarlandes wegen Nichtbearbeitung seines Widerspruchs gegen die Verfügung vom 15.4.2009 Untätigkeitsklage erhoben und...