Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen der Approbation wegen konkreter Patientengefährdung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anordnung des Ruhens der Approbation eines Arztes wegen des Verdachts einer Straftat, aus der auf seine Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit geschlossen werden kann (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO), erfordert mit Blick auf den damit verbundenen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl im verwaltungsrechtlichen Überprüfungsverfahren ihrer Rechtmäßigkeit die eigenständige Feststelung einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit, dass das strafgerichtliche Verfahren zu einer (rechtskräftigen) Verurteilung des Arztes wegen der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe in ihrem wesentlichen Kern führt (ohne dass es darauf ankommt, ob eine Verurteilung wegen aller Vorwürfe erfolgt).

2. Ein mit der Anordnung des Ruhens der Approbation (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO) zwangsläufig einhergehendes vorläufiges Berufsverbot ist zum Schutz der Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrheit regelmäßig schon dann erforderlich, wenn in tatsächlicher Hinsicht hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Arzt bei der Ausübung seines Berufs Straftaten gegen das Leben und/oder die Gesundheit von Patienten begangen hat und die Gefahr einer Verletzung dieser Rechtsgüter bei einer Fortsetzung der ärztlichen Tätigkeit weiter besteht.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger betreibt als Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie eine Dialysepraxis in A-Stadt.

Am 17.10.2000 erstattete die Ärztekammer des Saarlandes bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt Anzeige gegen ihn „wegen aller in Frage kommender Straftatbestände”. Dieser Anzeige beigefügt war ein Schreiben des Facharztes für Innere Medizin/Nephrologie A. G. vom 4.10.2000, der im Zeitraum vom 1.7.2000 bis zum 30.9.2000 in der Praxis des Klägers beschäftigt war. In diesem Schreiben führte G. aus, der Kläger habe Patienten mit bösartigen Tumoren einer Hämoperfusionsbehandlung unterzogen, was seines Wissens bei einer solchen Indikation weder eine zugelassene noch eine geeignete Behandlungsmethode darstelle. Diese Anzeige der Ärztekammer des Saarlandes nahm die Staatsanwaltschaft B-Stadt zum Anlass, gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes des Betruges (Abrechnungsbetrug zum Nachteil der Kassenärztlichen Vereinigung) und der Körperverletzung in mehreren Fällen, begangen durch die Anwendung einer nicht angezeigten Behandlungsmethode bzw. Behandlung ohne entsprechende ärztliche Aufklärung, einzuleiten (10 Js 1555/00 – Staatsanwaltschaft B-Stadt –).

Mit Bescheid vom 3.9.2002 ordnete der Beklagte gegenüber dem Kläger das Ruhen der diesem am 14.1.1976 erteilten ärztlichen Approbation an. Die auf die §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Bundesärzteordnung – BÄO – gestützte Anordnung wurde damit begründet, der Kläger habe 28 austherapierte Krebspatienten (Erkrankte mit bösartigen Tumoren in fortgeschrittenen Stadien ohne ernsthafte Heilungschancen) einer bisher an Menschen nicht erprobten und nicht zugelassenen Behandlung (einer sogenannten extrakorporalen Tryptophanverarmung mittels Hämoperfusion) unterzogen, ohne diese zuvor ausreichend, insbesondere über die zusätzlichen Risiken dieser Behandlung, aufgeklärt und diese hierdurch an ihrer Gesundheit geschädigt zu haben. Ihm sei weiter nachgewiesen, dass er bei seiner vertragsärztlichen Tätigkeit an drei alten Menschen mit physiologisch und krankheitsbedingt reduzierter Kritikfähigkeit nicht indizierte Dialysebehandlungen durchgeführt und diese dadurch an ihrer Gesundheit geschädigt habe. Nach Einsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft sei das Ermittlungsverfahren bereits so weit gereift, dass eine eigenständige approbationsrechtliche Prüfung möglich geworden sei. Die bisherigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und die dabei zu Tage getretenen Fakten, die durch Dokumente und Gutachten gestützt würden, sowie die von der Approbationsbehörde gewonnenen eigenen Erkenntnisse hätten einen derartigen Beweisgehalt, dass es nicht mehr vertretbar erscheine, eine approbationsrechtliche Entscheidung bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens durch die Anklageerhebung oder gar bis zu einer Verurteilung zurückzustellen. Wegen des dem Kläger nachgewiesenen schwerwiegenden Fehlverhaltens fehle diesem die für eine korrekte und integere Ausübung des ärztlichen Berufes erforderliche Zuverlässigkeit, was die Anordnung des Ruhens der dem Kläger erteilten ärztlichen Approbation rechtfertige. Insoweit bestehe ein überragendes und unabweisbares Interesse der Allgemeinheit daran, die weitere Ausübung des ärztlichen Berufes durch den Kläger bis zum Abschluss des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens zu unterbinden, um danach weitere, unter Umständen auch weitergehende Entscheidungen zu treffen.

Der hiergegen ger...

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