Verfahrensgang

VG Gelsenkirchen (Aktenzeichen 1 L 1950/03)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die dem Polizeipräsidium C. zum zugewiesene Stelle der Besoldungsgruppe A 13 BBesO mit dem Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers auf diese Stelle unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Antragsteller hat mit seiner Beschwerde Gründe dargelegt, die es gebieten, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stattzugeben. Er hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund für das beantragte Eingreifen des Gerichts glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner hat bei der Entscheidung über die Stellenbesetzung zugunsten des Beigeladenen sein Auswahlermessen fehlerhaft ausgeübt.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt, weil sich das Auswahlverfahren zur Besetzung der in Rede stehenden Beförderungsplanstelle bei summarischer Überprüfung als rechtlich fehlerfrei erweise. Die aufgrund von Hilfskriterien (1. „Datum der letzten Ernennung” und 2. „Fachprüfungsdatum”) getroffene Auswahlentscheidung sei auch im Licht der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu beanstanden. Zwar sei der Antragsteller in der vorletzten Regelbeurteilung zum Stichtag 1. Juni 19 um eine Notenstufe besser als der Beigeladene beurteilt worden. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei allerdings nicht zwingend ein chronologisch rückwärts gerichteter Vergleich älterer Beurteilungen bei den Bewerbern vorzunehmen. Je nach Beurteilungssystem und -inhalt könne durchaus allein der aktuellen Beurteilung Aussagewert zukommen mit der Folge, dass frühere Beurteilungen im Rahmen der Auswahlentscheidung nicht mehr heranzuziehen seien, sondern Hilfskriterien den Ausschlag geben müssten. Bei dem Beurteilungssystem der nordrhein-westfälischen Polizeibehörden sei ein solches Vorgehen angebracht. In diesem Bereich könnten nicht aus Einzelaussagen oder der Endnote vorhergehender Beurteilungen mit der für eine sachgerechte Personalentscheidung notwendigen Gewissheit Erkenntnisse über die künftige Bewährung eines Bewerbers in dem Beförderungsamt gewonnen werden.

Mit seiner Beschwerde wendet der Antragsteller zu Recht ein, dass die Auswahlentscheidung des Antragsgegners entgegen diesen Erwägungen mit der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht im Einklang steht. Für Auswahlentscheidungen sind nach dieser Rechtsprechung in erster Linie aktuelle Beurteilungen maßgebend, die den gegenwärtigen Leistungsstand wiedergeben. Ältere dienstliche Beurteilungen können daneben als zusätzliche Erkenntnismittel berücksichtigt werden. Sie stellen keine Hilfskriterien für die Auswahlentscheidung dar. Es handelt sich vielmehr um Erkenntnisse, die über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten Aufschluss geben und die deswegen gegenüber Hilfskriterien vorrangig heranzuziehen sind. Zwar verhalten sie sich nicht zum aktuell erreichtem Leistungsstand im gegenwärtigen statusrechtlichen Amt. Gleichwohl können sie Rückschlüsse und Prognosen über die künftige Bewährung in einem Beförderungsamt ermöglichen. Sie können im Rahmen einer Gesamtwürdigung der vorhandenen dienstlichen Beurteilungen positive oder negative Entwicklungstendenzen aufzeigen. Das gilt auch für in früheren Beurteilungen enthaltene Einzelaussagen über Charaktereigenschaften, Kenntnisse, Fähigkeiten, Verwendungen und Leistungen. Die zusätzliche Berücksichtigung vorangegangener dienstlicher Beurteilungen bei der Auswahl ist deswegen mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG geboten, wenn eine Stichentscheidung unter zwei oder mehr aktuell im Wesentlichen gleich beurteilten Beamten zu treffen ist.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19. Dezember 2002 – 2 C 31.01 –, DÖD 2003, 200, Urteil vom 27. Februar 2003 – 2 C 16.02 –, IÖD 2003, 170; Urteil vom 21. August 2003 – 2 C 14.02 –, Juris-Dokument Nr. WBRE 410010345. Die bisherige Rechtsprechung des Senats stimmt mit diesen Erwägungen im Grundsatz überein. Der Senat hat es auch schon bisher für unbedenklich erachtet, dass bei Auswahlentscheidungen dienstliche Beurteilungen, die mit gleichlautenden Gesamturteilen abschließen, über die Endnote hinaus für den Qualifikationsvergleich ausgewertet werden.

Vgl. Beschluss vom 27. September 1996 – 6 B 2009/96 –.

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