Grundstücksverschattungen durch hohe Bäume und Sträucher sind immer wieder Anlass für Nachbarstreitigkeiten. Kein Wunder, kann doch die Nutzung des betroffenen Grundstücks durch den Lichtentzug erheblich eingeschränkt sein. Es liegt deshalb nahe, dass sich der Grundstückseigentümer bzw. der Grundstücksmieter oder -pächter dagegen zur Wehr setzen möchte und von seinem Nachbarn verlangt, die Schatten werfenden Gehölze zu fällen oder wenigstens zurückzuschneiden.
Nicht abwehrfähige negative Einwirkung
Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre ist der Entzug von Licht durch Schatten spendende Bäume und Sträucher keine unzulässige positive Einwirkung auf ein Grundstück im Sinne von § 903 BGB, § 906 BGB, § 1004 BGB, gegen die sich der Betroffene zur Wehr setzen kann. Vielmehr handelt es sich um eine sog. negative Einwirkung, die nach diesen Vorschriften nicht abwehrfähig ist.
Schon 1983 hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsauffassung unter Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte des BGB damit begründet, dass ein beiderseitig unbeschränktes Recht, mit dem Grundstück nach Belieben zu verfahren (§ 903 BGB, 1. Alternative), ebenso wie ein uneingeschränktes Recht, den jeweils anderen von jeden Einwirkungen auszuschließen (§ 903 BGB, 2. Alternative), eine sinnvolle Nutzung beider Grundstücke unmöglich machen würde. Der notwendige Interessenausgleich zwischen den Grundstücksnachbarn werde deshalb erst durch die nachbarrechtlichen Bestimmungen, insbesondere durch § 906 BGB geschaffen. Nach dieser Vorschrift können aber nur positiv die Grundstücksgrenze überschreitende und im Allgemeinen sinnlich wahrnehmbare Einwirkungen abgewehrt werden, wie Gase, Dämpfe, Gerüche, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusche, Erschütterungen oder ähnliche Einwirkungen (sog. Imponderabilien), nicht dagegen Zustände oder Handlungen auf dem Nachbargrundstück, die natürliche Vorteile wie Licht oder Sonnenschein vom eigenen Grundstück abhalten.
Die Nichterwähnung dieser sog. negativen Einwirkungen in § 906 BGB erfolgte nach den damaligen Vorstellungen des Gesetzgebers bewusst. Die Eigentumsfreiheit sollte nämlich nicht eingeschränkt werden, so lange die Grenze zum Nachbargrundstück nicht durch die Zuführung von sog. Imponderabilien überschritten wird. Denn eine sich in den Grenzen des Grundstücks haltende Benutzung sollte nicht verboten sein.
So weit die Begründung durch den BGH. Ergänzend weist er noch darauf hin, dass das BGB hinsichtlich der sog. negativen Einwirkungen keine Lücke enthält, sondern es insoweit bewusst bei der Freiheit des Grundeigentümers belässt, seine Sache im Rahmen der Gesetze nach Belieben zu benutzen, so lange er die Grenzen zum Nachbargrundstück nicht durch Zuführung von sog. Imponderabilien überschreitet. Mit diesem Ansatz verneint der BGH grundsätzlich auch eine Anwendung des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in Fällen sog. negativer Einwirkungen.
Erfolgreiche Klage nur im Ausnahmefall
Eine Klage auf Beseitigung oder Rückschnitt von Schatten werfenden Bäumen oder Sträuchern wird deshalb nur in extremen Ausnahmefällen erfolgreich sein, etwa
- bei vollständiger Abschattung eines gesamten Grundstücks während des überwiegenden Teils des Tages,
- einer derartigen Verschattung eines Wohnhauses, dass in Wohnräumen selbst am Tag künstliches Licht eingeschaltet werden muss oder
- wenn es sich bei der Abschattung des Grundstücks um eine bewusste Schikanemaßnahme des Nachbarn (§ 226 BGB) handelt.
Im Übrigen lösen Schatten werfende Bäume und Sträucher nur dann Ansprüche auf Rückschnitt oder sogar auf Beseitigung aus, wenn sie unter Verletzung von Grenzabstandsvorschriften in den Nachbarrechtsgesetzen der Länder gepflanzt wurden und entsprechende Abwehransprüche zeitlich noch geltend gemacht werden können.
Baumschutz nicht vergessen!
Vergessen Sie nicht eine Anfrage bei Ihrer Gemeinde- oder Stadtverwaltung, ob Ihr und Ihres Nachbarn Grundstück im Geltungsbereich einer Baumschutzsatzung bzw. Baumschutzverordnung liegen. Die streitigen Bäume und Sträucher könnten geschützt sein.