Liegt eine konkrete Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung in dem oben dargestellten Sinn vor, kann der Grundstückseigentümer von seinem Selbsthilferecht nach § 910 BGB Gebrauch machen und die überwachsenden Zweige abschneiden und behalten. Das gilt auch, wenn dadurch das Absterben des Baums oder der Verlust seiner Standfestigkeit droht.
Umfang des Rückschnitts
Die Zweige dürfen nur bis zur Grundstücksgrenze und nicht darüber hinaus und im Übrigen nur so weit abgeschnitten werden, als sie die Grundstücksnutzung tatsächlich beeinträchtigen.
Fristsetzung
Das Selbsthilferecht dürfen Sie erst dann ausüben, wenn Sie zuvor Ihrem Nachbarn eine angemessene Frist zur Beseitigung der überwachsenden Zweige gesetzt haben und er diese Frist hat verstreichen lassen, ohne aktiv zu werden. (
Wie lange die Frist bemessen sein muss, um angemessen zu sein, sagt das Gesetz nicht. Dies kommt vielmehr auf den Einzelfall an und richtet sich nach dem Umfang der erforderlichen Arbeiten, nach der Jahreszeit und den Geboten einer sachgerechten Baumpflege. Insbesondere kann niemand verlangen, dass die Zweige eines Obstbaums während der Wachstumsperiode oder kurz vor der Ernte abgeschnitten werden. Eine Fristsetzung sollte jedoch allgemein dem Betroffenen die Möglichkeit zum Handeln lassen, sodass etwa 4 bis 6 Wochen angemessen scheinen. Im Übrigen sollte der Rückschnitt außerhalb der Wachstumsperiode von April bis September gelegt werden.
Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg regelt die Sondervorschrift des § 23 NRG überragende Zweige. Nach dieser Vorschrift kann die Beseitigung des Überhangs eines Obstbaums bis zur Höhe von 3 m verlangt werden. Die Beseitigung eines Überhangs bis zur vollen Höhe kann bei jedem Baum verlangt werden, wenn das betroffene Grundstück erwerbsgartenbaulich oder landwirtschaftlich genutzt wird, ein Hofraum ist oder die Zweige auf ein auf dem benachbarten Grundstück stehendes Gebäude hereinragen oder den Bestand oder die Benutzung eines Gebäudes beeinträchtigen oder die Errichtung eines Gebäudes unmöglich machen oder erschweren.
Unterlassene Fristsetzung
Wenn Sie überwachsende Zweige ohne Fristsetzung abschneiden, handeln Sie rechtswidrig. Soweit Ihnen Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) zur Last gelegt werden kann, können Sie vom Nachbarn schadenersatzpflichtig gemacht werden (§ 823 Abs. 1 BGB). Einer Schadensersatzpflicht entgehen Sie dann nur, wenn der Schaden an den von Ihnen gestutzten Bäumen oder Sträuchern auch bei Fristwahrung entstanden wäre.