1 Leitsatz
Maßgeblich für den vereinbarten Bauzustand ist die Teilungserklärung und der dort in Bezug genommene Aufteilungsplan. Den Baubeschreibungen kommt keine tragende Bedeutung zu. Einem Anspruch auf Erstherstellung kann entgegenstehen, dass die Wohnungseigentümer zuvor einen Beschluss nach § 20 Abs. 1 WEG über eine abweichende Bauausführung gefasst haben.
2 Normenkette
§§ 18 Abs. 2, 20 Abs. 1 WEG
3 Das Problem
Ein Wohnungseigentümer verlangt von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine Trennmauer zu entfernen (diese behindert ihn beim Einparken auf seine 2 Stellplätze). Da sein Antrag keine Mehrheit findet, erhebt er eine Beschlussersetzungsklage. Das AG gibt dieser Klage statt. K stehe ein Anspruch auf erstmalige Herstellung eines ordnungsmäßigen, plangerechten Zustands des gemeinschaftlichen Eigentums zu (Grundlagenbeschluss). Dieser Anspruch sei nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen, da die plangerechte Herstellung weder mit tiefgreifenden Eingriffen in das Bauwerk noch mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden sei. Auch liege keine nur unwesentliche Abweichung vom Aufteilungsplan vor. Die Erwerbsverträge zwischen den Ersterwerbern und dem Bauträger, die die Mauer nicht vorgesehen hatten, seien für den Soll-Zustand nicht maßgeblich.
Gegen diese Sichtweise richtet sich die Berufung. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer meint, aus dem Negativbeschluss ergebe sich der Wille der Wohnungseigentümer, die im Aufteilungsplan nicht vorhandene Mauer bestehen zu lassen. Hier könnten keine anderen Maßstäbe gelten, als wenn die Wohnungseigentümer einen Beschluss über die Errichtung einer Mauer als bauliche Veränderung fassen würden; diese sei dann auch nicht konform zum Aufteilungsplan.
4 Die Entscheidung
Die Berufung hat keinen Erfolg! K stehe tatsächlich ein (Erstherstellungs-)Anspruch gegen B zu, dass ein Beschluss gefasst wird, die Trennmauer zu entfernen. Dass Entschließungsermessen der Wohnungseigentümer sei auf null reduziert. Die Bauausführung sei planwidrig.
Ob dies der Fall sei, richte sich nach der Grundbucheintragung, und zwar nach der Teilungserklärung und dem dort in Bezug genommenen Aufteilungsplan. Die Mauer sei weder im Aufteilungsplan der beigezogenen Grundakte vorgesehen, noch finde sie im Text der Teilungserklärung eine Erwähnung. Ein (gleichlautender) Inhalt der Verträge zwischen den einzelnen Ersterwerbern und dem Bauträger sei nicht maßgeblich für die Frage, welcher Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums erstmalig ordnungsmäßig sei, und könne den Inhalt des Anspruchs auf ordnungsgemäße Erstherstellung im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer nicht mitbestimmen, da der Vertragsinhalt nicht aus dem Grundbuch für jedermann ersichtlich sei.
Zwar könnten die Wohnungseigentümer nach § 20 Abs. 1 WEG etwas Anderes bestimmen. Das sei aber durch den Negativbeschluss nicht geschehen. Im Übrigen wäre eine solche Beschlussfassung nicht "rechtmäßig", da damit die in § 20 Abs. 4 WEG statuierten absoluten Grenzen für die Beschlussfassung über bauliche Veränderungen überschritten werden würden. Der Beschluss würde K als Eigentümer der beiden einzigen von der Maßnahme direkt betroffenen Stellplatzeinheiten mit den Nummern 22 und 23 ein Sonderopfer abverlangen und ihn unbillig gegenüber anderen benachteiligen.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Beseitigung einer Mauer. Der klagende Wohnungseigentümer geht gegen diese vor, weil sie ihn beim Einparken auf seinen Stellplätzen beeinträchtigt. Als Anspruchsgrundlage hierfür führt er seinen Anspruch auf eine erstmalige ordnungsmäßige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums an. Dazu muss man feststellen, welcher Bauzustand "ordnungsmäßig" ist. Das LG blickt insoweit auf die Teilungserklärung und den Aufteilungsplan. Ich sehe dies anders. Teilungserklärung und Aufteilungsplan haben die Aufgabe, die Eigentumsgrenzen zwischen gemeinschaftlichem Eigentum und dem Sondereigentum zu bestimmen. Sie haben aber nicht die Aufgabe, im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums anzugeben, ob dort eine Mauer vorhanden sein soll oder nicht. Denn diese Mauer spielt für die Abgrenzung der Eigentumssphären ersichtlich keine Rolle. Der bauliche Soll-Zustand muss sich daher aus den Vereinbarungen der Wohnungseigentümer ergeben oder aus anderen Unterlagen, wenn diese den gemeinschaftlichen Willen der Wohnungseigentümer dokumentieren. Findet sich eine solche Vereinbarung oder Unterlage nicht, können die Wohnungseigentümer durch Beschluss bestimmen, welcher Bauzustand ordnungsmäßig sein soll.
Beschluss zum baulichen Soll-Zustand
Nach heute wohl h. M. können die Wohnungseigentümer beschließen, welches Bau-Soll einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht. Ein solcher Beschluss liegt, wie vom LG ausgeführt, aber nicht in einem Negativbeschluss.
Unbilliger Nachteil
Bauliche Veränderungen, die einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, dürfen nach § 20 Abs. 4 Halbsatz 1 WEG nicht beschlossen und gestattet werden. Es widerspricht daher einer ordnungsmäßigen Verwaltung, die Errichtung ein...