Alexander C. Blankenstein
1.1 Wesen und Zweck
Die Versammlungsniederschrift dient dem Informationsinteresse der Wohnungseigentümer – insbesondere der in der Versammlung nicht anwesenden – und ihrer Rechtsnachfolger. Möglichst lückenlos soll insoweit die Rechtslage der Gemeinschaft neben den Bestimmungen der Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung und etwa weiter existierenden Vereinbarungen der Wohnungseigentümer transparent gemacht werden. Gerade weil Beschlüsse gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 WEG nicht in das Grundbuch eingetragen werden und ohne entsprechende Eintragung Rechtswirkungen für und gegen Rechtsnachfolger entfalten, muss ein entsprechendes Informationsmedium zur Verfügung stehen.
1.2 Verhältnis zur Beschluss-Sammlung
Im Zuge des WEG-Änderungsgesetzes 2007 wurde in § 24 Abs. 7 WEG das Führen einer Beschluss-Sammlung statuiert. Diese zusätzliche Verpflichtung war neben die bereits bestehende zur Erstellung der Versammlungsniederschrift getreten. Das am 1.12.2020 in Kraft getretene Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) hat hieran nichts geändert.
- War die Erstellung der Versammlungsniederschrift nach alter Rechtslage an keine Frist gebunden, ist die Niederschrift nunmehr entsprechend den Regelungen zur Beschluss-Sammlung ebenfalls unverzüglich zu erstellen.
- In die Beschluss-Sammlung sind keine Geschäftsordnungsbeschlüsse einzutragen, während sie in die Versammlungsniederschrift zwingend aufzunehmen sind.
- Die Beschluss-Sammlung dient insbesondere als Informationsmedium für die im Umlaufverfahren des § 23 Abs. 3 WEG gefassten Beschlüsse. Mangels Versammlung können diese nämlich auch nicht in eine Versammlungsniederschrift aufgenommen werden.
- Die Beschluss-Sammlung dient der umfassenden Information über die Rechtslage innerhalb der Gemeinschaft, weshalb neben den Beschlüssen auch die Urteilsformeln der gerichtlichen Entscheidungen in Verfahren des § 43 WEG einzutragen sind.
1.3 Beweiswert
Die Versammlungsniederschrift stellt eine Privaturkunde i. S. v. § 416 ZPO dar. Die Unterzeichnung des Protokolls beweist also nicht die Richtigkeit des Inhalts der Niederschrift, sondern lediglich, dass die Niederschrift von demjenigen stammt, der sie erstellt hat.
Keine Genehmigungsbeschlussfassung
Ein Beschluss, mit dem die Wohnungseigentümer die Niederschrift einer vorangegangenen Wohnungseigentümerversammlung genehmigen, widerspricht daher grundsätzlich ordnungsmäßiger Verwaltung. Hierdurch würde nämlich der unzutreffende Eindruck erweckt, eine Unrichtigkeit der Niederschrift dürfe nicht mehr geltend gemacht werden.
1.4 Aufbewahrungsfrist
Aus ihrem Wesen als Informationsmedium über die Beschluss- und somit wesentliche Rechtslage innerhalb der Gemeinschaft folgt, dass Versammlungsniederschriften zeitlich unbegrenzt aufbewahrt werden müssen. Handels- oder steuerrechtliche Aufbewahrungsfristen gelten nicht. Wegen des Unterschriftenerfordernisses des § 24 Abs. 6 Satz 2 WEG sind sie grundsätzlich im Original aufzubewahren. Zusätzlich empfiehlt sich die Digitalisierung auf einem Speichermedium.
1.5 Abdingbarkeit
Durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer kann die Verpflichtung zum Erstellen von Versammlungsniederschriften grundsätzlich abbedungen werden. Durch bloßen (Mehrheits-)Beschluss ist dies freilich mangels Beschlusskompetenz nicht möglich.