Problemüberblick
Der Fall spricht 2 spezifische wohnungseigentumsrechtliche und ein zivilprozessuales Problem an. Im Fall wendet sich der Wohnungseigentümer gegen – zunächst – unzulässige bauliche Veränderungen. Dieses wohnungseigentumsrechtliche Problem ist auch im neuen Recht leicht zu lösen, wenn die bauliche Veränderung sein Sondereigentum beeinträchtigt. Denn dann kann ein Wohnungseigentümer nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG oder nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB vom "Bauherrn" Unterlassung verlangen.
Anders ist es, wenn die bauliche Veränderung nur das gemeinschaftliche Eigentum beeinträchtigt. Denn in diesem Fall ist nach §§ 9a Abs. 2, 14 Abs. 1 Nr. 1, 18 Abs. 1 WEG nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt, gegen den "Bauherrn" vorzugehen. Nur in den "Übergangsfällen" ist eine Besonderheit zu beachten. Übergangsfälle sind solche Rechtsstreitigkeiten, in denen ein Wohnungseigentümer bereits vor dem 1.12.2020 in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum vorgegangen ist. Dieser Wohnungseigentümer ist nach Ansicht des BGH ungeachtet §§ 9a Abs. 2, 14 Abs. 1 Nr. 1, 18 Abs. 1 WEG weiterhin prozessführungsbefugt, solange sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht gegen diesen Prozess entscheidet.
Das weitere wohnungseigentumsrechtliche Problem besteht darin, dass die Wohnungseigentümer über eine bereits durchgeführte bauliche Veränderung nach § 20 Abs. 1 WEG beschließen.
Wegfall der Prozessführungsbefugnis
Wie vom AG entschieden, ist der BGH in den Übergangsfällen der Ansicht, ein Wohnungseigentümer sei befugt, auch für eine Entstörung des gemeinschaftlichen Eigentums zu kämpfen, solange der Verwalter dem Gericht keinen anderslautenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mitteilt. Nach Ansicht des BGH müssen im Innenverhältnis die Wohnungseigentümer nach § 19 Abs. 1 WEG bestimmen, ob ein Altkläger die Prozessführungsbefugnis verliert. Der Beschluss bedarf einer einfachen Mehrheit. Der Verwalter ist nach § 27 Abs. 1 WEG im Innenverhältnis hingegen nicht befugt, auf die Prozessführungsbefugnis des Altklägers einzuwirken. Handelt er im Außenverhältnis dennoch, soll seine Erklärung namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wirksam sein. Der Verwalter kann dem Altkläger aber Schadensersatz schulden.
Die Rechtslage fordert die Verwalter m. E. für eine Übergangszeit dazu auf, zu ermitteln, ob ein Wohnungseigentümer bereits vor dem 1.12.2020 gerichtlich gegen einen anderen Wohnungseigentümer, gegen einen Drittnutzer oder einen Nachbarn vorgegangen ist. Dazu sollten die Wohnungseigentümer schriftlich oder in Textform mit Bezug auf die BGH-Entscheidung und die dort beschriebenen Möglichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer angeschrieben werden. Bleiben die Ermittlungen erfolglos, sollte das Ergebnis in den Verwaltungsakten vermerkt werden. Außerdem sollte der Verwaltungsbeirat informiert werden, da er den Verwalter nach § 29 Abs. 2 WEG überwacht. In der nächsten regulären Versammlung sollten die Wohnungseigentümer kurz informiert werden, dass es Ermittlungen gab, diese aber erfolglos waren. Ferner kann hier nochmals nach Klagen gefragt werden. Wird der Verwalter fündig, sollte er zeitnah die Wohnungseigentümer über die Lage informieren. In dringenden Fällen ist – soweit die aktuelle COVID-19-Lage dies erlaubt – eine Versammlung einzuberufen. Die Dringlichkeit bemisst sich an der abzuwehrenden Störung und dem Verfahrensstand. Eine Alternative, etwa die bloße Information der Verwaltungsbeiräte, ist nicht erkennbar. Ist die Information nicht dringend, kann die nächste ordentliche Versammlung abgewartet werden.
Die Wohnungseigentümer müssen nach der Information entscheiden, ob sie den klagenden Wohnungseigentümer gewähren lassen, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den Störer gerichtlich vorgehen soll oder ob man sich mit diesem außergerichtlich vergleicht und dem Kläger die Prozessführungsbefugnis entzieht.
Muster: Verbotsbeschluss
Wohnungseigentümer __ (Name) klagt im Verfahren ___ (Gericht/Aktenzeichen) seit dem ___ (Datum) gegen ___ (Name) wegen ___ (Beschreibung des Klagegenstandes). Die Wohnungseigentümer wollen, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ___ (Name) eine außergerichtliche Lösung der Frage herbeiführt. Sie untersagen Wohnungseigentümer ___ (Name) daher unter Hinweis auf BGH, Urteil v. 7.5.2021, V ZR 299/19, 28, das oben genannte Verfahren fortzuführen.
Abstimmungsergebnis:
Ja-Stimmen: _____
Nein-Stimmen: _____
Enthaltungen: _____
Der Versammlungsleiter verkündet folgendes Beschlussergebnis:
__________________
Der Beschluss, _____ (Inhalt), wurde angenommen/abgelehnt.
Nachträglicher Gestattungsbeschluss
Die Wohnungseigentümer können einen Beschluss nach § 20 Abs. 1 WEG auch dann fassen, wenn die bauliche Veränderung bereits durchgeführt ist. Auch dieser Beschluss ist an den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1, Abs. 4 WEG zu messen. Der Gestattungsbeschluss kann – wie im Fall – noch im Rahmen eines gegen die unzulässige bauliche Veränderung geführten Prozesses gefasst werden....