Grundsatz

Demgegenüber hat der Verletzte eines Glatteisunfalls die Existenz eines verkehrssicherungspflichtwidrig bestehenden Zustands darzulegen und zu beweisen. Dafür reicht der Nachweis eines Glättezustands im Bereich des Streupflichtigen aus.[1] Allerdings setzt die Streu- und Räumpflicht eine allgemeine Glättebildung und nicht nur das Vorhandensein vereinzelter Glättestellen voraus.[2]

Extremwetter

Behauptet der Streupflichtige seinerseits, die das Stürzen des Verletzten auslösende Glätte sei infolge von Umständen aufgetreten, die ein Streuen zwecklos gemacht hätten, so muss er beweisen, dass die besonderen Umstände vorlagen und bis kurz vor dem Unfall angedauert haben bzw. dass er in dieser Situation auf die Glätte rechtzeitig reagiert hat.[3]

Dies gilt beispielsweise für das Vorliegen einer extremen Wettersituation, in der das Streugut alsbald durch überfrierende Nässe wieder von einer Eisschicht überzogen wird und deshalb auch wiederholtes Streuen nutzlos ist.[4] Die erforderlichen Daten liefert etwa der Deutsche Wetterdienst.[5]

Anscheinsbeweis

Beweiserleichterungen kommen dem Geschädigten nicht ohne Weiteres zugute: Allein die Tatsache, dass jemand bei Glätte gestürzt ist, begründet noch keinen Anscheinsbeweis für eine Verletzung der Streupflicht.[6] Erst wenn eine solche Pflichtverletzung feststeht, greift der Anscheinsbeweis für die Kausalität ein, dass nämlich die Verletzung der Streupflicht für den Glätteunfall ursächlich geworden ist.[7] Dann spricht nach dem ersten Anschein eine Vermutung dafür, dass es bei Beachtung der Vorschriften über die Streupflicht nicht zu den Verletzungen gekommen wäre, dass sich also in dem Unfall gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, deren Eintritt die Schutzvorschriften verhindern wollten.[8] Stürzt ein Fußgänger in unmittelbarer Nähe einer Gefahrenstelle, so liegt nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises der Schluss nahe, dass die Gefahrenstelle Ursache des Sturzes war.[9]

Bei Glatteisunfällen sind die Regeln über den Anscheinsbeweis anwendbar, wenn der Verletzte innerhalb der zeitlichen Grenzen der Streupflicht zu Fall gekommen ist. In einem solchen Fall spricht nach dem ersten Anschein eine Vermutung dafür, dass es bei Beachtung der Vorschriften über die Streupflicht nicht zu den Verletzungen gekommen wäre, dass sich also in dem Unfall gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, deren Eintritt die Schutzvorschriften verhindern wollten. Die Regeln über den Anscheinsbeweis können aber keine Anwendung finden, wenn der Sturz auf dem Glatteis erst nach Ende der Streupflicht eingetreten ist. Ein solcher Sachverhalt entspricht nicht mehr einem typischen Geschehensablauf, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweist.[10]

[1] OLG Celle, Urteil v. 2.2.2000, 9 U 121/99, zfs 2000 S. 241.
[2] BGH, Beschluss v. 26.2.2009, III ZR 225/08, NJW 2009 S. 3302; ausführlich zu Glatteisunfällen von Fußgängern vgl. Möller, VersR 2009, S. 1461.
[4] OLG Hamm, Urteil v. 1.12.1997, 6 U 152/97, MDR 1998 S. 538.
[5] Mit der Zentrale in Offenbach am Main sowie 6 weiteren Regionalzentralen in Hamburg, Potsdam, Leipzig, Essen, Stuttgart und München.
[6] OLG Karlsruhe, Urteil v. 29.11.2001, 19 U 202/00, VersR 2002 S. 1385 (Leitsatz); OLG Celle, Urteil v. 23.7.2003, 9 U 42/03, NJW-RR 2003 S. 1536.
[7] OLG Hamm, Urteil v. 4.8.1999, 13 U 41/99, zfs 2000 S. 97.

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