4.1 Fristwahrung

§ 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG erfasst sämtliche außergerichtlichen und gerichtlichen Fristen, also einerseits Anfechtungs-, Gewährleistungs- und Verjährungsfristen und andererseits Klagefristen. Voraussetzung für die Eilkompetenz des Verwalters ist, dass mit Blick auf den Fristablauf eine Vorbefassung der Wohnungseigentümer nicht möglich ist. Dies gilt insbesondere auch für die Führung eines Prozesses für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, soweit eine Befassung der Versammlung der Wohnungseigentümer aufgrund der einzuhaltenden Fristen oder sonstiger drohender Rechtsnachteile nicht möglich ist. Zu prüfen ist stets, ob nicht eine Eigentümerversammlung auch unter verkürzter Ladungsfrist möglich ist oder eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren des § 23 Abs. 3 WEG.[1]

Voraussetzung für eine Eilmaßnahme ist allgemein ein plötzliches und unerwartetes Ereignis. Hieraus folgt, dass ein "Liegenlassen" der Angelegenheit eine Eilmaßnahme nicht begründen kann.

 
Praxis-Beispiel

Baumängel

3 Jahre nach Abnahme des Gemeinschaftseigentums treten Mängel am Gebäude auf. Der Verwalter tut nichts. Als dann nach knapp 2 weiteren Jahren Verjährung droht, beauftragt der Verwalter einen Rechtsanwalt mit der Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens.

Als Rechtfertigung seiner Eigenmacht kann sich der Verwalter nicht auf eine besondere Eilbedürftigkeit berufen. Möglich wäre dies freilich, wenn die Mängel erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist zutage getreten wären.

Wird er andererseits tätig, obwohl keine Eilbedürftigkeit gegeben ist und wird der Verwalter entgegen der Beschlusslage in der Gemeinschaft tätig, ist er dieser zum Schadensersatz verpflichtet. Der Schaden wird in erster Linie in den Verfahrenskosten liegen.[2]

Fälle einer Eilbedürftigkeit

Unter der Voraussetzung einer Eilbedürftigkeit kann

  • der Vorverwalter per einstweiliger Verfügung zur Unterlagenherausgabe durch Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in Anspruch genommen werden;[3]
  • ein selbstständiges Beweisverfahren zur Beweissicherung eingeleitet werden;
  • die Zwangsverwaltung betrieben werden;
  • eine verwaltungsrechtliche Anfechtungsklage erhoben werden.[4]
[1] Hügel/Elzer, WEG, § 27 Rn. 59.
[3] LG Itzehoe, Urteil v. 22.7.2014, 11 S 62/13, ZMR 2015 S. 54; AG Wiesloch, Urteil v. 25.3.2011, 5 C 4/11 WEG, ZWE 2011 S. 290.
[4] VG München, Beschluss v. 12.2.2008, M 8 SN 08 211, juris.

4.2 Nachteilsabwendung

Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG ist der Verwalter weiter berechtigt und verpflichtet, Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind. Die erforderliche Vertretungsmacht, für die Gemeinschaft entsprechend erforderliche Maßnahmen durchführen zu können und in diesem Zusammenhang auch entsprechende Rechtsgeschäfte für die Gemeinschaft abzuschließen, insbesondere also Fachunternehmen zu beauftragen, verleiht ihm § 9b Abs. 1 WEG.

4.2.1 Gemeinschaftseigentum

Die Verwalterbefugnisse bzw. -verpflichtungen im Rahmen des § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG korrespondieren zunächst mit denjenigen der einzelnen Wohnungseigentümer bezüglich deren Befugnis zur Durchführung von Notmaßnahmen in § 18 Abs. 3 WEG. Droht hier unmittelbar ein Schaden, ist der einzelne Wohnungseigentümer berechtigt, ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Die Rechte und Pflichten des Verwalters nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG gehen jedoch weiter. Voraussetzung für ein Handeln des Verwalters ist hier nicht der unmittelbar drohende Schaden, ausreichend ist, dass ein dringender Fall vorliegt, mithin ein Nachteil droht.

Grundsätzlich muss der Verwalter zwar auch in eilbedürftigen Fällen unter Verkürzung der gesetzlichen oder vereinbarten Ladungsfrist möglichst einen Beschluss der Wohnungseigentümer herbeiführen. Liegt jedoch ein Fall vor, der wegen seiner Dringlichkeit eine vorherige Einberufung einer Eigentümerversammlung nicht zulässt, kann der Verwalter ohne Beschluss handeln.[1]

Wie bei den Maßnahmen der Fristwahrung, sind nur solche Fälle betroffen, die wegen ihrer Eilbedürftigkeit eine vorherige Einberufung einer Wohnungseigentümerversammlung nicht zulassen.[2] Entscheidend ist, ob die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gefährdet wäre, wenn nicht umgehend gehandelt würde.[3] Dringende Fälle entstehen in der Regel durch Zufall oder höhere Gewalt, etwa

  • Brand,
  • Explosion,
  • Überschwemmung,
  • Leck einer Gasleitung,
  • Ausfall der Heizungsanlage,
  • Bruch oder Verstopfung einer Versorgungs- oder Abwasserleitung,
  • Lockerung des Treppengeländers,
  • drohendes Ablösen der Regenrinne nach Sturm.

Dringende Maßnahmen i. S. v. § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG sind auch solche, die nicht unmittelbar der Erhaltung in Form von Reparatur oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums dienen, wie etwa der Abbruch einer Mauer wegen Einsturz- oder Brandgefahr.

 

Schadensersatzpflicht

  • Sind die Voraussetzungen einer Notgeschäftsführung nicht gegeben und setzt sich der Verwalter über die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung hinweg, hat er...

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