Leitsatz (amtlich)
1. Zur Verjährung von Ansprüchen eines Patienten unter dem Aspekt der Arzthaftung.
2. Sucht ein Patient, der über die Ordnungsgemäßheit einer ärztlichen Behandlung zweifelt, einen Rechtsanwalt auf und ist das Ergebnis dieser Konsultation ein Anspruch anmeldendes Schreiben an den vermeintlichen Haftungsschuldner, liegt regelmäßig die erforderliche Kenntnis i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor.
Normenkette
BGB §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2, §§ 214, 823
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 07.06.2013; Aktenzeichen 16 O 8/13) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Saarbrücken vom 7.6.2013 - 16 O 8/13 - wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage zur Geltendmachung von Schadensersatz, Schmerzensgeld und Feststellung der Haftung für künftige Schäden unter dem Aspekt der Arzthaftung.
Sie befand sich im Jahr 2006 wegen einer erneuten Schwangerschaft in gynäkologischer Behandlung in der Gemeinschaftspraxis der Antragsgegnerinnen. Nach einer Vorstellung in der St. E. Klinik in S. wurde die Antragstellerin am 29.11.2006 in der Praxis der Antragsgegnerinnen untersucht. Eine Folgeuntersuchung wurde am 1.12.2006 durchgeführt. Am 2.12.2006 begab sich die Antragstellerin, nachdem sie zuvor in der o.g. Klinik war, in das DRK-Krankenhaus in S.. Dort wurde eine Operation eingeleitet. Das Kind war verstorben.
Mit Schreiben vom 5.1.2007 (Bl. 47 d.A.) machten die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin Ansprüche geltend. Am 6.1.2009 wurde Strafanzeige erstattet. Ein durch die Ermittlungsbehörde eingeholtes Gutachten lag am 14.2.2011 vor. Das Ermittlungsverfahren gegen die Antragsgegnerinnen wurde eingestellt.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, etwaige Ansprüche seien nicht verjährt. Erst nach Vorlage des Gutachtens im Ermittlungsverfahren habe die Kenntnis vorgelegen, dass unzureichende CTG-Untersuchungen gefertigt wurden und damit ein (grober) Befunderhebungsfehler vorliege.
Mit Beschluss vom 7.6.2013 hat das LG Saarbrücken den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Der Durchsetzbarkeit etwaiger Ansprüche der Antragstellerin stehe die erhobene Verjährungseinrede entgegen.
Hiergegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt. Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Saarländischen OLG zur Entscheidung vorgelegt.
Die Akten der Staatsanwaltschaft Saarbrücken 7 Js 101/09 waren beigezogen.
II. Die gem. §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das LG hat zu Recht die beantragte Prozesskostenhilfe aufgrund fehlender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung versagt. Mit sehr ausführlicher, die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung berücksichtigender, im Nichtabhilfebeschluss vom 9.9.2013 vertiefter, Begründung kommt das LG Saarbrücken zutreffend zu dem Ergebnis, dass die erhobene Einrede der Verjährung der Durchsetzbarkeit der Ansprüche entgegensteht, § 214 BGB.
1. Die maßgebende Kenntnis i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hatte die Antragstellerin bereits am 5.1.2007 als ihr Prozessbevollmächtigter erstmals Ansprüche gegenüber der Antragsgegnerin zu 2. (vgl. zur Haftung der Ärzte einer Gemeinschaftspraxis OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.11.2011 - 8 U 1/08 - juris Rz. 25; OLG Dresden Urt. v. 24.7.2008 - 4 U 1857/07 - juris Rz. 13 - OLGReport Dresden 2008, 818-819; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl. 2014, Rz. A 15) geltend machte. Dies gilt auch, wenn man den im Anschluss an den streitgegenständlichen Vorfall die Antragstellerin erheblich belastenden Verlauf berücksichtigt. Der Senat verkennt auch nicht, dass im Rahmen der Verjährung keine höheren Anforderungen an die Kenntnis bzw. die Kenntnismöglichkeiten des Patienten gestellt werden dürfen, als ihm etwa an Vortrag im Rahmen seiner Substantiierungspflicht (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 8.6.2004 - VI ZR 199/03 - juris Rz. 22 - BGHZ 159, 245254) obliegt.
a. Wie das LG Saarbrücken bereits zutreffend ausgeführt hat, liegt eine Kenntnis vom Schaden i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht schon dann vor, wenn dem Patienten lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist. Denn das Ausbleiben des Erfolgs ärztlicher Maßnahmen kann in der Eigenart der Erkrankung oder in der schuldlosen Unzulänglichkeit ärztlicher Bemühungen seinen Grund haben. Deshalb gehört zur Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen das Wissen, dass sich in dem Misslingen der ärztlichen Tätigkeit das Behandlungs- und nicht das Krankheitsrisiko verwirklicht hat (vgl. BGH, Urt. v. 23.4.1991 - VI ZR 161/90, VersR 1991, 815, 816).
Hierzu genügt es nicht schon, dass der Patient Einzelheiten des ärztlichen Tuns oder Unterlassens kennt. Vielmehr muss ihm aus seiner Laiensicht der Stellenwert des ärztlichen Vorgehens für den Behandlungserfolg bewusst sein. Die Verjährungsfrist beginnt nicht zu laufen, bevor nicht der ...