Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe für ein auf Aufhebung einer Scheinehe gerichtetes Klageverfahren
Leitsatz (amtlich)
Die Beantragung von Prozesskostenhilfe zur Aufhebung oder Scheidung einer Scheinehe ist nicht mutwillig i.S.d. § 114 ZPO.
Normenkette
ZPO § 114; BGB § 1314 Abs. 2 Nr. 5
Verfahrensgang
AG Saarlouis (Beschluss vom 09.01.2008; Aktenzeichen 21 F 530/07 S) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - FamG - in Saarlouis vom 9.1.2008 - 21 F 530/07 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG - FamG - in Saarlouis zurückverwiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Parteien schlossen am 7.7.2007 die Ehe. Dabei handelten sie nach dem Vorbringen der Antragstellerin aus einer Laune heraus wegen des besonderen Datums, ohne dass zuvor zwischen ihnen ein Kontakt oder gar eine Freundschaft oder Beziehung bestanden hätte. Eine Eheschließung sei nie ernsthaft beabsichtigt gewesen. Die Ehe sei nicht vollzogen worden. Die Antragstellerin habe den Antragsgegner nach dem 13.7.2007 nur noch am 15.7.2007 gesehen, als sie ihre persönlichen Sachen aus der Wohnung des Antragsgegners geholt habe.
Die Antragstellerin hat um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Antrag nachgesucht,
"das Gericht möchte feststellen, dass die Eheschließung zwischen den Parteien vor dem Standesbeamten in D. vom 7.7.2007 unwirksam ist und diese Eheschließung aufheben; hilfsweise, die am 7.7.2007 vor dem Standesbeamten in D. geschlossene Ehe der Parteien scheiden."
Durch den angefochtenen Beschluss hat das FamG die nachgesuchte Prozesskostenhilfe mit der Begründung verweigert, die Kosten für das Scheidungsverfahren seien mutwillig herbeigeführt worden. Bereits bei Eingehung der Ehe sei ersichtlich gewesen, dass durch die später notwendige Eheaufhebung Kosten entstehen würden.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 20.2.2008.
II. Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2, 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin - als welche der eingelegte Rechtsbehelf der Antragstellerin auszulegen ist - führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung.
Die Begründung des FamG trägt die Verweigerung der Prozesskostenhilfe nicht. Die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint nicht als mutwillig i.S.v. § 114 ZPO.
Mutwillig ist eine Rechtsverfolgung, wenn eine verständige vermögende Partei mit Rücksicht auf die für die Betreibung des Anspruchs bestehenden Aussichten von einer Prozessführung ganz oder teilweise absehen würde (s. auch 6. OLG Saarbrücken des Saarländischen OLG, Beschl. v. 14.12.1993 - 6 WF 84/93, FamRZ 1994, 636-637; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.6.1987 - 16 WF 117/87, FamRZ 1988, 93). Daran fehlt es, wenn eine zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Einzelfall notwendige Maßnahme beabsichtigt wird. Nach diesem Maßstab liegt keine mutwillige Rechtsverfolgung vor.
Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Aufhebung der Ehe nach § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB schlüssig vorgetragen.
Voraussetzung für den Aufhebungsgrund der sog. Scheinehe ist, dass beide Ehepartner bei der Ehe darüber einig waren, die sich aus der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft nach § 1353 Abs. 1 BGB ergebenden Pflichten nicht erfüllen zu wollen (Roth in: Erman, BGB, 12. Aufl. 2008, § 1314 Rz. 12; Thorn in: jurisPK-BGB, 3. Aufl. 2007, § 1314 Rz. 30 f.). Nach ihrem Wortlaut lässt sich die Norm insbesondere nicht etwa auf den Fall der sog. Aufenthaltsehe, bei der die Ehe lediglich zur Erschleichung von Aufenthaltsberechtigungen eingegangen wird, reduzieren. Beabsichtigen die Parteien - wie hier vorgetragen - jedenfalls von vornherein und insgesamt keinen Vollzug und keine Führung der Ehe, verneinen sie die gesetzlich vorgesehenen Ehepflichten umfassend, ohne dass es vorliegendenfalls einer abschließenden Entscheidung darüber bedürfte, inwiefern die Verneinung einzelner Pflichten, die über den Kernbereich von Beistand, Hilfe, Fürsorge und Rücksichtnahme (s. hierzu BGH, Urt. v. 7.11.2001 - XII ZR 247/00, BGHZ 149, 140146; Roth in: Erman, BGB, 12. Aufl. 2008, § 1314 Rz. 12a) hinausgehen, für den Tatbestand der Scheinehe erforderlich ist.
Die Aufhebung der Ehe ist auch nicht nach § 1315 Abs. 1 Nr. 5 BGB ausgeschlossen. Nach dem Klagevortrag haben die Parteien die Ehe auch nach ihrer Eingehung nicht vollzogen. Damit fehlt es an einer nachträglichen Eingehung einer ehelichen, auf Dauer angelegten Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft.
Der Antrag auf Aufhebung der Ehe stellt auch eine zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Maßnahme dar. Da auch die nicht ernst gemeinte Ehe grundsätzlich gültig ist, wie sich aus § 1310 BGB und einem Umkehrschluss aus § 1314 Abs. 1 Nr. 5 BGB ergibt, bedarf es der Aufhebung der Ehe zur Beseitigung der Ehefolgen. Auch eine verständige, vermögende Partei könnte nur mit dem Antrag auf Aufhebung der Ehe die Ehe...