Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwertfestsetzung nach § 45 GKG
Leitsatz (amtlich)
Die "Identitätsformel" gilt nicht, wenn mit Klage und Widerklage Teilansprüche aus demselben Rechtverhältnis geltend gemacht werden. In diesem Fall ist entscheidend, ob durch das Nebeneinander von Klage und Widerklage eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 05.01.2009; Aktenzeichen 14 O 293/07) |
Tenor
Die Beschwerde vom 6.1.2009 gegen den Beschluss des LG Saarbrücken vom 5.1.2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Kläger verlangte mit seiner Klage von der Beklagten weitere 88.613,40 EUR Invaliditätsleistung nach einem Unfall vom 19.5.2004. Die Beklagte hatte an den Kläger lediglich 75.000 EUR bezahlt. Der Kläger ist der Ansicht, ihm ständen insgesamt 163.613,40 EUR zu. Die Beklagte verlangte dagegen mit ihrer Widerklage vom Kläger Rückzahlung von 49.435,41 EUR, weil dem Kläger lediglich 25.564,59 EUR zuständen. Nach Rücknahme der Widerklage und Anerkenntnis der Klage setzte das LG Saarbrücken mit Beschluss vom 5.1.2009 (Bl. 120 d.A.) den Streitwert auf 138.048,81 EUR fest. Mit Schriftsatz vom 6.1.2009 (Bl. 126 d.A.) legte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten Beschwerde gegen den Beschluss vom 5.1.2009 ein und beantragte, den Streitwert auf 88.000 EUR festzusetzen. Das LG half der Beschwerde nicht ab.
II. Die Beschwerde ist nach § 68 GKG zulässig. Insbesondere ist die Sechsmonatsfrist des § 68 Abs. 1 S. 3 GKG eingehalten. Die Frist beginnt nach § 63 Abs. 3 S. 2 GKG mit der Erlangung der Rechtskraft oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Das Anerkenntnisurteil des LG vom 5.1.2009 war bei Eingang der Beschwerde am 9.1.2009 noch nicht rechtskräftig, so dass die Sechsmonatsfrist noch nicht abgelaufen war. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200 EUR (§ 68 Abs. 1 S. 1 GKG).
Eine Beschwerde kann nach § 32 Abs. 2 RVG durch den Prozessbevollmächtigten auch im eigenen Namen eingelegt werden, wenn er ein eigenes Beschwerderecht hat. Dies besteht allerdings nur an einer höheren Festsetzung (Madert in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., § 32 Rz. 122). Da nach den Gründen der Beschwerde vom 6.1.2009 eine niedrigere Festsetzung angestrebt wird, kann die Beschwerde nur so verstanden werden, dass der Prozessbevollmächtigte sie im Namen der Beklagten eingelegt hat.
(a) Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Streitwertfestsetzung des LG Saarbrücken ist nicht zu beanstanden.
Gemäß § 45 Abs. 1 S. 3 GKG ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend, wenn Klage und Widerklage denselben Gegenstand betreffen. Dabei kommt es nicht auf den zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriff an. Der kostenrechtliche Gegenstandsbegriff der Vorschrift erfordert vielmehr eine wirtschaftliche Betrachtung (BGH, Beschl. v. 6.10.2004 - IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 5 Rz. 48). Eine Zusammenrechnung hat grundsätzlich nur dort zu erfolgen, wo durch das Nebeneinander von Klage und Widerklage eine "wirtschaftliche Werthäufung" entsteht (BGH, Beschl. v. 6.10.2004 - IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506).
Eine wirtschaftliche Identität von Klage und Widerklage, die eine Zusammenrechnung ausschließt, liegt nach der von der Rechtsprechung entwickelten "Identitätsformel" dann vor, wenn die Ansprüche aus Klage und Widerklage nicht in der Weise nebeneinander stehen können, dass das Gericht unter Umständen beiden stattgeben kann, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrages nach sich zieht (BGH, Beschl. v. 6.10.2004 - IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., § 45 GKG Rz. 10). Dieses Kriterium genügt jedoch alleine nicht, um eine Zusammenrechnung auszuschließen. Voraussetzung für die Annahme desselben Gegenstandes ist, dass Klage und Widerklage dasselbe wirtschaftliche Interesse betreffen (KG KGReport Berlin 2007, 759; Hartmann, a.a.O., § 45 GKG Rz. 11). Ist dies nicht der Fall, entsteht gerade die "wirtschaftliche Werthäufung", die der BGH als maßgeblich für eine Zusammenrechnung ansieht (BGH, Beschl. v. 6.10.2004 - IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506).
Die "Identitätsformel" passt vor allem nicht, wenn mit Klage und Widerklage Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis geltend gemacht werden (Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 5 Rz. 50; Herget in Zöller, ZPO, 27. Aufl. § 5 Rz. 2). Verlangt der Kläger aus einem streitigen Rechtsverhältnis einen Mehrbetrag während der Widerkläger von einer Überzahlung ausgeht und einen Teil seiner Leistung zurückverlangt, geht es wirtschaftlich um die gesamte Differenz der von beiden Parteien ihrer Antragsberechnung zugrunde gelegten Beträge (Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 5 Rz. 50 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). So stritten auch hier die Parteien um 138.048,81 EUR, weil der Kläger 163.613,40 EUR verlangte, während die Beklagte ihm lediglich 25.564,59 EUR zubilligte.
Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass es ausschließlich Zweck der Vo...