Normenkette

ZPO §§ 39, 137 Abs. 1, § 281 Abs. 2 a.F.; GG Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Saarbrücken (Aktenzeichen 5 C 856/01)

 

Tenor

Als zuständiges Gericht wird das LG Saarbrücken bestimmt.

 

Gründe

1. Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage Herausgabe von Behandlungsdokumenten. Die an das LG adressierte Klage hat sich ursprünglich gegen die Universitätskliniken des Saarlandes, eine unselbstständige Anstalt der Universität, gerichtet. Nachdem die Beklagte die begehrten Unterlagen herausgegeben hat, haben die Parteien den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 8.5.2001 insoweit für erledigt erklärt und hinsichtlich des Klageantrags zu 2), in dem die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Vollständigkeit und Richtigkeit der vorgelegten Unterlagen an Eides Statt zu versichern, einen Widerrufsvergleich abgeschlossen. Mit Schriftsatz vom 1.6.2001 hat die Klägerin eine Berichtigung des Rubrums beantragt und darauf hingewiesen, dass sich die Klage richtigerweise gegen das Saarland, vertreten durch den Minister für Bildung, Kultur und Wissenschaft, richten müsse. Am 12.6.2001 hat eine weitere mündliche Verhandlung stattgefunden. Mit Hinweisbeschluss vom 7.8.2001 hat das LG im Hinblick auf den Streitwert Bedenken hinsichtlich seiner sachlichen Zuständigkeit geäußert und den Rechtsstreit mit Beschluss vom 19.9.2001 an das AG Saarbrücken verwiesen. Das AG hat eine Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt und mit Verfügung vom 10.10.2001 unter Rücksendung der Akten gebeten, den Verweisungsbeschluss zu überprüfen. Mit Verfügung vom 7.3.2002 hat das LG – nach rund 5 Monaten, in denen eine weitere Bearbeitung des Rechtsstreits erkennbar nicht erfolgt ist – an seiner Rechtsauffassung festgehalten und die Akten erneut dem AG übersandt. Das AG hat die Sache mit Verfügung vom 11.3.2002 zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 ZPO vorgelegt.

2. Nachdem das AG Saarbrücken die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt hat, war das zuständige Gericht in analoger Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen (BGH v. 10.12.1987 – I ARZ 809/87, BGHZ 102, 338 [339] = MDR 1988, 470). Die sachliche Zuständigkeit des LG Saarbrücken folgt – jedenfalls – aus § 39 S. 1 ZPO (a). Demgegenüber war das AG Saarbrücken nicht bereits aufgrund der Bindungswirkung des § 281 Abs. 2 S. 3 ZPO an die Verweisung gebunden (b).

a) Ob der Streitwert – dessen Höhe bei Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) maßgeblich ist – nach den vom LG selbst genannten Bemessungskriterien die Zuständigkeit des LG nicht begründet, kann dahinstehen.

Gemäß § 39 S. 1 ZPO wird die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts des ersten Rechtszugs dadurch begründet, dass der Beklagte – ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen – zur Hauptsache mündlich verhandelt. Diese Voraussetzungen liegen sowohl hinsichtlich der ersten mündlichen Verhandlung vom 8.5.2001 als auch hinsichtlich der zweiten mündlichen Verhandlung vom 12.6.2001 vor.

aa) Die Beklagte hat die Rüge der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts vor der mündlichen Verhandlung vom 8.5.2001 schriftsätzlich nicht erhoben. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung hat sich die Beklagte auch im Termin nicht auf die fehlende sachliche Zuständigkeit des LG berufen.

Entgegen der Rechtsauffassung des LG wurde in der mündlichen Verhandlung vom 8.5.2001 zur Hauptsache verhandelt. Denn nach richtiger Ansicht ist ein mündliches Verhandeln i.S.d. § 39 ZPO schon dann gegeben, wenn die Parteien und das Gericht zum Streitgegenstand erörtern (Patzina in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 39 Rz. 6; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 39 Rz. 5; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 39 Rz. 6; Musielak/Smid, 2. Aufl., § 39 Rz. 3). Dies ist im vorliegenden Fall geschehen, da das Gericht ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 8.5.2001 mit seinen Hinweisen zur Erfolgsaussicht der Klage gem. § 278 Abs. 1 ZPO in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung (im Folgenden: ZPO a.F.) in prozessualer und materieller Hinsicht zu beiden Klageanträgen in den Streitstand eingeführt hat und sich auch die Parteien – nach übereinstimmender Erklärung der Erledigung des Klageantrags zu 1) – mit den Rechtsausführungen des Gerichts auseinander gesetzt und auf der Grundlage der Erörterungen über den Klageantrag zu 2) einen Widerrufsvergleich geschlossen haben. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von denjenigen Fällen, in denen der Verhandlungscharakter deshalb zweifelhaft erscheint, weil die Parteien ausschließlich reine Vergleichsverhandlungen führen (vgl. OLG Bamberg v. 14.10.1987 – 3 U 65/87, MDR 1988, 148 f.).

Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass nach einer in der Literatur vertretenen Meinung ein mündliches Verhandeln zwingend die Stellung der Sachanträge voraussetzt (so wohl Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 39 Rz. 6; a.A. Musielak/Smid, 2. Aufl., § 39 Rz. 3; einschränkend BGH v. 6.5.1987 – IVb ZR 51/86, BGHZ 100, 383 [389] = MDR 1987, 829). Ob das Nichteinhalten der den äu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge