Leitsatz (amtlich)
1. Einfachrechtlicher Entscheidungsmaßstab für die Anordnung begleiteten Umgangs ist weder § 1666 BGB noch - im Falle des Vorliegens eines Umgangstitels - § 1696 BGB, sondern § 1684 Abs. 4 BGB unmittelbar.
2. Ein umgangsberechtigter Elternteil, der die Erziehung des anderen Elternteils massiv unterwandert und dadurch die Kinder permanent in einen heftigen Loyalitätskonflikt stürzt, der zu erheblichen Auffälligkeiten der Kinder führt, gefährdet diese in ihrer psychischen Entwicklung.
3. Die Anordnung begleiteten Umgangs setzt die Bereitschaft des Umgangsberechtigten, den Umgang in dieser Form auszuüben, und die Mitwirkungsbereitschaft eines Dritten voraus. Soll der begleitete Umgang von einer Einrichtung der Jugendhilfe gewährleistet werden, das diese Aufgabe für das Jugendamt wahrnimmt, muss das Jugendamt zuvor ausdrücklich erklärt haben, dass es den begleiteten Umgang als Jugendhilfeleistung gewähren wird (§ 18 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII).
4. Solange der begleitete Umgang gegenüber dem Umgangsausschluss ein milderes, zur Kindeswohlgefährdung ausreichend geeignetes Mittel ist, kann der begleitete Umgang aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mit Verweis darauf abgebrochen werden, dass der umgangsberechtigte Elternteil sein Verhältnis zum betreuenden Elternteil nicht verbessert und auch ansonsten nicht an sich arbeitet.
Verfahrensgang
AG Neunkirchen (Beschluss vom 24.07.2014; Aktenzeichen 17 F 429/12 UG) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Familiengericht - in Neunkirchen vom 24.7.2014 - 17 F 429/12 UG - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragsteller hat - ausschließlich - die Pflicht und das Recht, mit den beteiligten Kindern A. und C. jeden Montag von 17 bis 19 Uhr in den Räumlichkeiten des Familienberatungszentrums ... pp. der Stiftung Hospital ... pp. begleiteten Umgang in Anwesenheit eines Mitarbeiters dieses Familienberatungszentrums zu pflegen.
Der Antragsteller hat während des Umgangs alles zu unterlassen, was das Verhältnis der beteiligten Kinder zur Antragsgegnerin beeinträchtigen und deren Erziehung der Kinder erschweren kann; insbesondere hat er sich kritischer oder abfälliger Bemerkungen über die Antragsgegnerin zu enthalten.
Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass beide beteiligten Kinder pünktlich zu Beginn eines jeden Umgangstermins in den Räumlichkeiten des Familienberatungszentrums ... pp. der Stiftung Hospital ... pp. anwesend sind, und die Kinder für die Dauer des Umgangs in der Obhut der Mitarbeiter dieses Familienberatungszentrums zu belassen.
Für den Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die sich aus diesem Beschluss ergebenden Verpflichtungen kann das Gericht gegen den Verpflichteten Ordnungsgeld von bis zu 25.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten verhängen. Verspricht die Anordnung von Ordnungsgeld keinen Erfolg, kann das Gericht Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten verhängen.
2. Durch diese Entscheidung wird der Antrag des Antragstellers auf einstweilige Außervollzugsetzung des Beschlusses des AG - Familiengericht - in Neunkirchen vom 24.7.2014 - 17 F 429/12 UG - gegenstandslos.
3. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin zu je ½. Außergerichtliche Kosten des zweiten Rechtszuges werden nicht erstattet. Für die erste Instanz bewendet es bei der Kostenentscheidung des Familiengerichts.
Gründe
I. Aus der am XX. XX. XXXX geschlossenen und seit dem XX. XX. XXXX rechtskräftig geschiedenen Ehe des Antragstellers (Vater) und der Antragsgegnerin (Mutter), beide Deutsche, gingen die beiden beteiligten Töchter A., geboren am XX. XX. XXXX, und - nach der Trennung der Eltern im Jahr 2009 -C., geboren am XX. XX. XXXX, hervor, die beide bei der Mutter leben. Diese ist außerdem aus vorangegangenen Verbindungen Mutter der Söhne J., geboren am XX. XX. XXXX, und M., geboren am XX. XX. XXXX, sowie aus einer späteren Beziehung Mutter des am 9.8.2012 geborenen Sohnes N.. Letztere beiden Söhne werden ebenfalls von der Mutter betreut.
Durch Beschl. v. 25.1.2011 - 17 F 370/10 SO - übertrug das AG - Familiengericht - in Neunkirchen unter Aufrechterhaltung der gemeinsamen Sorge im Übrigen der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A. und C.. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vaters wies der Senat mit Beschl. v. 24.3.2011 - 6 UF 24/11 - zurück.
Mit Beschl. v. 15.5.2013 - 17 F 291/12 SO - übertrug das Familiengericht der Mutter die Alleinsorge für beide Kinder, unter Ausnahme des Teilbereichs Beantragung von Jugendhilfemaßnahmen und Antragstellung nach den Büchern des SGB, den es dem Kreisjugendamt Neunkirchen als Pfleger übertrug. Die gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde wies der Senat durch Beschl. v. 10.10.2013 - 6 UF 122/13 - zurück.
Im vorliegenden, im Dezember 2012 eingeleiteten Verfahren hat das Familiengericht ein unter dem 15.3.2013 erstattetes schriftliches Sachverständigengutachten...