Entscheidungsstichwort (Thema)

Auswirkungen von Zweifeln des Familiengerichts an der Richtigkeit einer zuvor angeforderten eidesstattlichen Versicherung auf Verfahrenskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Hat das Familiengericht Zweifel an der Richtigkeit einer zuvor angeforderten eidesstattlichen Versicherung über die wirtschaftlichen Verhältnisse des VKH-Gesuchstellers, muss es diesen darauf hinweisen und kann nicht stattdessen Verfahrenskostenhilfe - ohne entsprechenden Hinweis - verweigern.

 

Verfahrensgang

AG Merzig (Beschluss vom 22.10.2012; Aktenzeichen 20 F 181/12 VKH1)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Familiengericht - in Merzig vom 22.10.2012 - 20 F 181/12 VKH1 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG - Familiengericht - in Merzig zurückverwiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat wegen eines schwerwiegenden Verfahrensmangels - vorläufigen - Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung.

Das Familiengericht hat dem Antragsteller im angegangenen Beschluss die von ihm begehrte Verfahrenskostenhilfe verweigert, weil er die im Parallelverfahren 20 F 152/12 VKH1 mit Verfügung vom 5.9.2012 angeforderten Angaben entgegen § 118 Abs. 2 ZPO nicht gemacht habe. In dieser Verfügung hatte das Familiengericht den Antragsteller aufgefordert, durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft zu machen, dass er lediglich über sein Einkommen bei verfüge und einen regelmäßigen monatlichen Kindesunterhalt zahle und in welcher Höhe.

Im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller - erneut (dazu gleich) - seine eidesstattliche Erklärung vom 20.9.2012 vorgelegt, in der die Fragen aus der Verfügung vom 5.9.2012 beantwortet werden. Unter anderem hat der Antragsteller ausgeführt: "Es trifft zu, dass ich bei arbeite und dort ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. etwa 2.000 bis 2.100 EUR verdiene. Ich habe keine Nebentätigkeit, zumal ich in einem Schichtsystem arbeite."

Das Familiengericht hat diese Darstellung - ohne vorherigen Hinweis - in seiner Nichtabhilfe vom 11.12.2012 als falsch gewertet, weil der Antragsteller im Parallelverfahren 20 F 201/12 UK mit Schriftsatz vom 31.11.2012 folgendes vorgetragen habe: " Es ist richtig, dass [der Antragsteller] ein Nettoeinkommen von 2.000 bis 2.100 EUR erwirtschaftet. Je nachdem, wie die Arbeitszeiten fallen, kommt ein Nettoverdienst i.H.v. bis zu weiteren 400 EUR hinzu."

Dies kann keinen Bestand haben.

Dabei bedarf keiner Vertiefung, dass das Familiengericht übersehen hat, dass die vom Antragsteller angeforderte eidesstattliche Erklärung im Original bereits am 20.9.2012 zu den Verfahren "20 F 181/12 S/20 F 152/12 AB" zu den Akten gereicht und von der Geschäftsstelle in die Akte 20 F 181/12 S eingeheftet worden ist (s. dort Bl. 26 ff.), so dass die eidesstattliche Versicherung vor Erlass des beanstandeten Beschlusses vorgelegen hat.

Ebenso erübrigt sich eine nähere Erörterung, dass und warum das Familiengericht die Zurückweisung des Verfahrenskostenhilfeantrags des Antragstellers im vorliegenden Verfahren nicht auf Auflagen hätte gründen dürfen, die es dem Antragsteller aktenersichtlich allein im Parallelverfahren 20 F 152/12 VKH1 erteilt hat.

Denn die Handhabung des Familiengerichts, die eidesstattliche Erklärung als unwahr zu verwerfen, ohne dem Antragsteller unter Hinweis auf die aus seiner Sicht bestehenden Bedenken Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, verletzt den Antragsteller jedenfalls in seinem grundrechtsgleichen Anspruch auf rechtliches Gehör.

Dieses in Art. 103 Abs. 1 GG verbriefte Recht verbürgt dem Einzelnen, nicht nur Objekt der richterlichen Entscheidung zu sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort zu kommen. Dies wird u.a. durch das Verbot der Überraschungsentscheidung gewährleistet. Von einer solchen ist auszugehen, wenn sich eine Entscheidung ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf nicht hat rechnen müssen (vgl. BVerfG NJW 2012, 2262 m.w.N.). Ihrer Vermeidung dienen die gerichtlichen Hinweispflichten - wie die aus § 139 ZPO -, die nicht nur im Hauptsacheverfahren, sondern auch im Verfahrenskostenhilfeverfahren gelten (vgl. BVerfG FamRZ 2008, 131). Rechtliche Hinweise müssen deshalb dem um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Beteiligten in seiner konkreten Situation so erteilt werden, dass es diesem auch tatsächlich möglich ist, vor einer Entscheidung zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können, der Beteiligte also nicht gehindert wird, rechtzeitig seinen Vortrag zu ergänzen (vgl. BGH NJW 2012, 3035 m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch im Abhilfeverfahren...

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