Leitsatz (amtlich)
1. Einem Zeugen steht gem. § 384 Nr. 1 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zu, wenn durch seine Aussage entweder die tatsächlichen Voraussetzungen einer Haftung begründet werden könnten oder wenn die Durchsetzung einer bereits bestehenden Schuldverpflichtung des Zeugen wenigstens erleichtert würde.
2. Gemäß § 384 Nr. 2 ZPO hat der Zeuge auch ein Zeugnisverweigerungsrecht, wenn er sich durch die Beantwortung der Beweisfragen der Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat aussetzen würde. Hierfür ist es ausreichend, wenn die Gefahr von Beweiserleichterungen in einem bereits anhängigen Strafverfahren besteht, indem die Antwort auf die Beweisfragen zumindest in Kombination mit den Aussagen weiterer Beteiligter dazu führen könnte, dass der Zeuge einer Strafverfolgung unterzogen wird.
3. Einem Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 384 Nr. 1 ZPO steht gem. § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Eigenschaft des Zeugen als gesetzlicher Vertreter einer Partei entgegen. Dies betrifft indes nicht das Zeugnisverweigerungsrecht des § 384 Nr. 2 ZPO. Daher kann es dahinstehen, ob die Vorschrift des § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nur Handlungen des Zeugen betrifft oder auch Wahrnehmungen, sofern dem Zeugen jedenfalls ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 384 Nr. 2 ZPO zusteht.
4. Das Zeugnisverweigerungsrecht bezieht sich im Normalfall nur auf einzelne - dem Zeugen zunächst zu stellende - Fragen, kann jedoch auch zu einem Recht auf vollständige Aussageverweigerung führen, wenn sich aus eventuellen Auskünften Teilstücke in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude ergeben und der Zeuge daher potentielle Beweismittel gegen sich selbst liefern würde.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 21.11.2013; Aktenzeichen 3 O 260/11) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen das am 21.11.2013 verkündete Zwischenurteil (3 O 260/11) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 299.440,20 EUR festgesetzt.
Dem Beschwerdegegner wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Rechtsanwalt pp., bewilligt.
Gründe
I. Im vorliegenden Rechtsstreit streiten die Parteien um die Rechtmäßigkeit von Kündigungen verschiedener Verträge zwischen ihnen und noch offenstehende bzw. zurückzuzahlende Vergütungen auf Grund dieser Verträge.
Die Klägerin betreibt ein Architektenbüro, welches sich auf Projektsteuerung spezialisiert hat.
Zwischen den Parteien bestanden mehrere Vertragsverhältnisse, nämlich zum einen ein Projektsteuerungsvertrag über den Neubau einer Galerie der Gegenwart vom 13.8.2008 (im Folgenden: Vertrag/Projekt Neubau genannt - Anlage B 2), ein Projektsteuerungsvertrag über den Umbau der Modernen Galerie vom 13.8.2008 (im Folgenden Vertrag/Umbau genannt - Anlage B 3) samt 2 Nachträgen (Nachträge vom 9.4.2009 und vom 29.6.2010/5.7.2010 (im Folgenden: Ergänzungsvereinbarung mit Datum genannt) - Anlagen B 4 und 5) sowie ein Architektenvertrag vom 4.3.2009 (Anlage K 3).
Die Verträge Neubau und Umbau wurden von den Rechtsanwälten der Beklagten entworfen.
Nach staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den früheren Vorstand der Beklagten, den Beschwerdegegner und Zeugen Dr. M., wurde dieser im April 2011 beurlaubt.
Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 13.7.2011 wurde gegenüber der Klägerin die Kündigung sämtlicher Verträge zwischen den Parteien aus wichtigem Grund erklärt (Anlage K 4).
Es erfolgten weitere Kündigungen aus wichtigem Grund (Anlagen B 11, B 19 und B 32).
Der Beschwerdegegner wurde wegen Vorteilsannahme - u.a. wegen der Abrechnung von nicht erbrachten Beratungsleistungen gegenüber der Klägerin - i.H.v. 8.225 EUR rechtskräftig strafrechtlich verurteilt.
Der Geschäftsführer der Klägerin hat einen Strafbefehl wegen dieser angeblichen Beratungsleistungen sowie wegen eines "Herrenabends" und der Erbringung von Architektenleistungen für die Tochter des Beschwerdegegners (Anlage B 35) akzeptiert.
Die Parteien streiten in der Hauptsache um das Vorliegen eines wichtigen Grunds für die Kündigung. Hinsichtlich der diesbezüglichen Einzelheiten des Parteivortrags sowie der gestellten Anträge in der Hauptsache (Klage und Widerklage) wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das LG hat mit Beschluss vom 2.7.2013 (Bl. 484 d.A.), auf dessen Gründe Bezug genommen wird, angeordnet, dass die Klage und Widerklage einerseits und die Drittwiderklage gegen den Beschwerdegegner andererseits in getrennten Prozessen verhandelt werden.
Das LG hat auf Grund der Beweisbeschlüsse vom 15.4.2013 (Bl. 394 d.A.) und vom 15.7.2013 (Bl. 519 d.A.) in der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2013 (Bl. 553 d.A.) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen J. L. (Bl. 555 d.A.), Dr. M. Z. (Bl. 556 d.A.) und T. B. (Bl. 558 d.A.).
Durch den Beweisbeschluss vom 15.4.2013 (Bl. 394 d.A.) hat das LG überdies angeordnet, zu folgenden Behauptungen den Beschwerdegegner als...