Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergabeverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei eigener Sachkunde der Vergabestelle kann auf den Nachweis der Gleichwertigkeit nach § 21 Nr. 2 Satz 3 VOB/A nicht verzichtet werden.
2. Insbesondere ersetzt die bloße Bezeichnung der Abweichung nicht den Nachweis.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss der Vergabekammer des Saarlandes beim Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft vom 17. November 2010 - 1 VK 13/2010 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen der Antragstellerin.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin beabsichtigt den Neubau einer Talbrücke (BW 1440) für die Bundesstraße B xx, Ortsumgehung B. Die Beteiligten streiten sich um die Rechtmäßigkeit der Wertung eines neben dem Hauptangebot abgegebenen, als “Nebenangebot Nr. 1" bezeichneten Alternativangebotes der Beigeladenen.
Die Antragsgegnerin schrieb die Baumaßnahme mit Vergabebekanntmachung vom 17. April 2010 im offenen Verfahren aus. Nach Abschnitt 11.1.9) der Vergabebekanntmachung waren Varianten/Alternativangebote zugelassen. Als Zuschlagskriterium war in Abschnitt IV.2.1) der Vergabebekanntmachung “niedrigster Preis" festgelegt.
In Nr. 11.3 der “EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe" wurde bezüglich der Mindestanforderungen für Nebenangebote, soweit zugelassen, zunächst auf die “Baubeschreibung Abschnitt 6" sowie auf die “einschlägigen Regelwerke gemäß dem (der Angebotsaufforderung beigefügten) Vordruck StB-Mindestanforderungen für Nebenangebote, Stand (Redaktionsschluss): 31. Dezember 2008, Technische Regelwerke, Allgemeine Rundschreiben Straßenbau (ARES), Erlasse, die von Bietern bei der Abgabe einschlägiger Nebenangebote zusätzlich zu den in den Vergabeunterlagen benannten Regelwerden zu beachten sind" verwiesen. Nach den der “EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe" beigefügten “HVA B-StB-EG-Bewerbungsbedingungen" wurden unter Punkt 5 Anforderungen an Nebenangebote gestellt (vgl. Seite 4 Beschluss der VK vom 17. November 2010) und unter Punkt 6 die Vorlage bestimmter Unterlagen bestimmt (vgl. Bl. 94 d.A.). Hiernach waren folgende Unterlagen vorzulegen:
- Erläuterungsbericht sowie Angabe der vorgesehenen Entwurfsbearbeitet;
- Übersichtszeichnungen mit allen erforderlichen Schnitten: sie enthalten die wesentlichen Maße sowie Höhenkoten, insbesondere die der Gründungen;
- Überschlägige Standsicherheitsnachweise für die wesentlichen Schnitte;
- Mengenermittlung, die aufgrund der vorgelegten Zeichnungen ggf. mit Hilfe zusätzlicher Skizzen leicht prüfbar ist;
- Lehrgerüstplan, Baustelleneinrichtungsplan, Bauzeiteneinteilungsplan, mit Darstellung der wesentlichsten Arbeiten, Geräteliste, soweit auch für das Hauptangebot gefordert.
Die Beigeladene gab u.a. ein “Nebenangebot Nr. 1" ab. Hierin bot sie ein von dem in der Leistungsbeschreibung unter den Positionen 00.05.0056, 00.05.0057 und 00.05.0058 geforderten “Stahlschutzplankensystem" (Leitplanken) abweichendes System an. Statt der im Leistungsverzeichnis vorgegebenen Konstruktion “Super-Rail BW" bot sie das Konstruktionssystem “Super-Rail Eco BW" an. Hierzu reichte sie ein Blatt mit der Bezeichnung der angebotenen Alternativpositionen aus dem Leistungsverzeichnis mit den entsprechenden Preisangaben zu den einzelnen Positionen ein.
Nach Angebotseröffnung (11. Juni 2010) und der formalen und rechnerischen Prüfung ergab sich zunächst folgende Bieterreihenfolge auf der Grundlage der eingereichten Hauptangebote (Auszug):
1. die Antragstellerin: Angebot 3.997.374,96 Euro brutto
2. die Beigeladene: Angebot 4.012.402,52 Euro brutto abzüglich 2 % Preisnachlass ohne Bedingungen auf die Abrechungssumme für Haupt- und alle Nebenangebote.
Nach Prüfung und Wertung des “Sondervorschlages" der Antragstellerin und der “Nebenangebote", insbesondere des Nebenangebots Nr. 1 der Beigeladenen kam es zu einer Änderung der Bieterreihenfolge. Der “Sondervorschlag" der Antragstellerin wurde ausgeschlossen. Im Gegensatz zum “Nebenangebot Nr. 2", welches nicht streitgegenständlich ist, wurde das “Nebenangebot Nr. 1" der Beigeladenen gewertet, so dass sich folgende Bieterreihenfolge ergab:
1. die Beigeladene: Angebot 3.995.192, 65 Euro brutto
2. die Antragstellerin: Angebot 3.997.374,96 Euro brutto.
Mit Information nach § 101a GWB vom 16. August 2010 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag nach Ablauf der Informationsfrist auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Nach Nichtabhilfe ihrer Rügen leitete die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 9. September 2010 das Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer des Saarlandes ein.
Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, das Nebenangebot der Beigeladenen sei bereits deshalb nicht zu werten, da die Zulassung von Nebenangeboten beim streitgegenständlichen Vergabeverfahren aufgrund des alleinigen Zuschlagskriteriums “niedrigster Preis" gegen Artikel 24 Abs. 1 i.V.m. Art. 53 V...