Leitsatz (amtlich)
Der Ausschluss der Erbrechts nichtehelicher Kinder, die vor dem 1.7.1949 geboren sind, ist – im Hinblick auf die Bindungswirkung der Entscheidung des BVerfG v. 8.12.1976 – auch heute noch verfassungsrechtlich hinzunehmen, soweit nicht der Fiskus als alleiniger Erbe in Betracht kommt.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 10.07.2003; Aktenzeichen 5 T 546/01) |
Nachgehend
Tenor
1. Die weitere sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Saarbrücken vom 10.7.2003 – 5 T 546/01 – wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde.
3. Der Streitwert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 13.550 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die am 1948 als nichteheliches Kind geborene Antragstellerin hat mit Urkunde des Notars vom 10.7.1998 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach sie gesetzliche Erbin des (im Folgenden: Erblasser) zu mindestens 1/2 ist.
Der Erblasser verstarb zwischen dem 30.6.1998 und dem 3.7.1998 und hat in der Person der weiteren Beteiligten des vorliegenden Verfahrens Erben der dritten Ordnung hinterlassen. Eine letztwillige Verfügung ist nicht vorhanden. Mit Beschluss vom 10.12.2001 – (AG Olpe, Beschl. v. 10.12.2001 – 22 F 225/01) hat das AG Olpe festgestellt, dass die Antragstellerin das Kind des Erblassers ist.
Mit Beschluss vom 8.10.1998 hat das AG Neunkirchen dem Antrag auf Erteilung eines Erbscheins unter Bezugnahme auf die Übergangsvorschrift des Art. 12 § 10 Abs. 2 Nichtehelichengesetz (im Folgenden: NEG) zurückgewiesen. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde blieb erfolglos (Beschlüsse des LG v. 7.1.1991 – 5 T 708/98; v. 25.1.2001 – 5 T 688/99; v. 10.7.2003 – 5 T 546/01). Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Antragstellerin, mit der diese beantragt, ihr den Erbschein mit der Maßgabe zu erteilen, dass sie gesetzliche Alleinerbin des Erblassers geworden ist.
II. A. Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 27, 29 FGG); sie hat in der Sache keinen Erfolg, da die Entscheidung des LG nicht auf der Verletzung des Gesetzes beruht.
Der Antragstellerin steht als nichtehelicher Tochter nach ihrem verstorbenen Vater kein Erbrecht zu. Das ergibt sich daraus, dass nach dem für die Antragstellerin geltenden Recht „uneheliche” Kinder nur im Verhältnis zu der Mutter und zu den Verwandten der Mutter die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes innehatten, sie also kraft gesetzlicher Fiktion (§ 1589 Abs. a.F. BGB) nicht als Abkömmling des nichtehelichen Vaters i.S.d. § 1924 Abs. 1 BGB galten (vgl. Palandt/Keidel, BGB, 27. Aufl., 1968, § 1924 Anm. 3b). Nach Art. 12 Abs. 1 § 10 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder (NEhelG) gilt diese Rechtslage für – wie die Antragstellerin – vor dem 1.7.1949 geborene nichteheliche Kinder fort, auch wenn der Erblasser – wie hier – nach dem In-Kraft-Treten jenes Gesetzes stirbt. Ein Erbrecht könnte der Antragstellerin folglich nur zustehen, wenn diese Vorschrift des NEhelG als verfassungswidrig vom BVerfG für nichtig erklärt würde. Der Senat sieht sich jedoch an diese gesetzliche Regelung gebunden. Er hält die ansonsten nach Art. 100 Abs. 1 GG gebotene Vorlage an das BVerfG – jedenfalls in einem Fall, in dem (wie hier) nicht nach § 1936 BGB der Staat Erbe des Verstrobenen würde – nicht für zulässig.
B. Die Rechtsbeschwerde vertritt die Auffassung, der Ausschluss eines nichtehelichen Abkömmlings vom Erbrecht auf Grund der Übergangsregelung des Art. 12 § 10 Abs. 2 NEG halte einer verfassungsrechtlichen Prüfung am Maßstab der Art. 6 Abs. 1, 5, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 GG auch nicht stand, wenn an Stelle des nichtehelichen Abkömmlings nicht der Fiskus, sondern ein Abkömmling einer entfernteren Ordnung zum Erbe berufen sei.
Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 8.12.1976 (BVerfG v. 8.12.1976, BVerfGE 44, 1) Art. 12 Abs. 1 § 10 Abs. 2 S. 1 NEhelG für mit Art. 6 Abs. 5 GG und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar – also für verfassungsgemäß – erklärt. Das ist für den Senat nach § 31 Abs. 1, 2 S. 2 BVerfGG verbindlich.
Allerdings unterliegt die von den Gerichten zu beachtende Verbindlichkeit von Entscheidungen des BVerfG „zeitlichen” Grenzen. Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse, der Lebensumstände und der sozialen Anschauungen (vgl. Umbach/Clemens, BVerfGG, § 31 Rz. 49; Lechner/Zuck, BVerfGG, § 31 Rz. 17) aber auch Veränderungen von Rechtslagen, die die entscheidungserhebliche Norm in einem neuen Licht erscheinen lassen, erlauben es, ihre Verfassungskonformität einer erneuten Prüfung durch das BVerfG zu unterwerfen. Der Senat hält indessen auch vor diesem rechtlichen Hintergrund die die Antragstellerin belastende Übergangsvorschrift nicht für verfassungswidrig i.S.d. Art. 100 Abs. 1 GG.
1. Dieser Überzeugungsbildung ist er nicht durch die Entscheidung des BVerfG vom 3.7.1996 – (BVerfG, Beschl. v. 3.7.1996 – 1 BvR 563/96) enthoben, bei deren Erlass die tatsächlichen und ...