Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers gehört, einem Versicherungsnehmer die finanziellen Nachteile einer Kündigung eines bestehenden steuerbegünstigten Kapitallebensversicherungsvertrages eingehend vor Augen zu führen.
2. Ist in einem Versicherungsantrag nicht deutlich genug hervorgehoben, dass im Todesfall nur Hinterbliebene i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 26 EStG Leistungen erhalten und gibt der Versicherungsnehmer seine Lebensgefährtin als Bezugsberechtigte an, so haftet der Versicherer wegen Verletzung eigener Beratungspflichten trotz Einschaltung eines Versicherungsmaklers auf Schadensersatz.
Normenkette
BGB § 278; VVG § 61; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 26
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 28.09.2010; Aktenzeichen 8 O 92/09) |
Tenor
1. Die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des LG Saarbrücken vom 28.9.2010 - 8 O 92/09 - werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, an den Kläger 10.500 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.4.2009 (Beklagte zu 1) bzw. seit dem 16.11.2009 (Beklagte zu 2) zu zahlen sowie ihn von einer 0,65 Geschäftsgebühr brutto aus einem Streitwert von 10.500 EUR gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten freizustellen, Zug um Zug gegen Abgabe einer Verpflichtungserklärung des Klägers gegenüber den Beklagten, an diese mögliche spätere Rentenzahlungen aus der streitgegenständlichen fondsgebundenen Basisrentenversicherung auszukehren.
2. Die Beklagten tragen die außergerichtlichen Kosten des Klägers und die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens zu je ½ und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens selbst.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter bzw. unterbliebener Beratung.
Der Kläger unterhielt bei der N. Versicherung eine - steuerbegünstigte - Kapitallebensversicherung. Er ließ sich aufgrund des Maklerauftrages vom 13.3.2008 (Bl. 4 d.A.) durch den Zeugen F., einen Mitarbeiter der Beklagten zu 1), in seinen versicherungsrechtlichen Angelegenheiten beraten. Bei den Beratungsgesprächen war seine Lebensgefährtin J. T. anwesend. Der Kläger ist unverheiratet. Die Beklagte zu 1) hat im vorliegenden Rechtsstreit Gesprächsdokumentationen nur für die beiden ersten Termine am 4.3.2008 und 13.3.2008 vorgelegt, nicht aber für den Termin am 27.3.2008.
Mit Schreiben vom 27.3.2008, das der Zeuge F., ein Mitarbeiter der Beklagten zu 1), geschrieben hat, kündigte der Kläger die Kapitallebensversicherung und erhielt 9.037,98 EUR als Rückkaufswert ausbezahlt. Der Kläger beantragte am 27.3.2008 (Bl. 46 d.A.) auf Empfehlung des Zeugen F. für seine Altersversorgung wegen der steuerlichen Vorteile eine fondsgebundene Basisrentenversicherung bei der Lebensversicherung M., der Beklagten zu 2). In dem Antragsfeld zur Bezeichnung der Empfänger im Todesfall trug der Zeuge F. hinter den vorgedruckten Berechtigten in der Reihenfolge Ehegatte, Kinder, Eltern, Erben in ein freies Feld hinter dem Zusatz "oder die nachfolgend bezeichnete Person ..." die Lebensgefährtin des Klägers ein. Unter dieser Spalte steht klein gedruckt: "Bei der Basisrentenversicherung muss es sich beim Empfänger der Versicherungsleistung im Todesfall um einen Hinterbliebenen i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG handeln." Im Feld "Basisrentenversicherung" an anderer Stelle des Formulars steht im Kleingedruckten:
"Rentenzahlungsweise: monatlich
Garantierte Erlebensfall-Leistung: keine oder Beitragserhalt maximale Garantie
Todesfall-Leistung: keine oder Verrentung des Vertragsguthabens an die Hinterbliebenen
..."
Die Beklagte stellte einen Versicherungsschein vom 31.3.2008 (Bl. 52 d.A.) aus. Als Tarifvariante ist darin auf der ersten Seite angegeben: "Fondsgebundene Basis-Rentenversicherung ohne Erlebensfall-Garantie". Auf S. 2 ist eine längere Leistungsbeschreibung vorhanden. Außerdem sind "Eckdaten hervorgehoben" u.a.: "Todesfall-Leistung: keine". Einbezogen sind die "Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Performer-Basis-Rentenversicherungsprodukte - L-B1431/01.08/m" (AVB - Bl. 142d. A). In dem Policenbegleitschreiben vom 31.3.2008 (Bl. 135 d.A.) ist für den Hinterbliebenenschutz darauf hingewiesen, dass nur der Ehegatte und Kinder bezugsberechtigt sein können.
Seit Mai 2008 zahlte der Kläger zehnmal Monatsbeiträge i.H.v. 150 EUR an die Beklagte zu 2). Im Mai 2008 leistete der Kläger eine Zuzahlung i.H.v. 9.000 EUR aufgrund seines Antrags vom 2.5.2008, der einen Stempel der Beklagten zu 1) aufweist (Bl. 156 d.A.). Seit März 2009 ist die Rentenversicherung bei der Beklagten zu 2) beitragsfrei gestellt. Mit Schreiben vom 5.11.2009 (Bl. 172 d.A.) forderte der Kläger von der Beklagten zu 2) 10.200 EUR zurück, weil er bei Abschluss des Vertrages getäuscht worden sei. Steuerliche Vorteile aus der Basisrentenversicherung ...