Leitsatz (amtlich)
Die Abstandnahme vom Urkundsprozess ist in der Berufungsinstanz nur unter den Voraussetzungen des § 533 ZPO zulässig.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 22.09.2008; Aktenzeichen 6 O 176/08) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 22.9.2008 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 6 O 176/08 - abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 43.500 EUR
A. nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
aus 1.500 EUR seit dem 3.1.2008,
aus weiteren 1.500 EUR seit dem 3.2.2008,
aus weiteren 1.500 EUR seit dem 3.3.2008,
B. nebst Zinsen i.H.v. 17,25 %
aus weiteren 1.500 EUR seit dem 3.4.2008,
aus weiteren 1.500 EUR seit dem 3.5.2008,
aus weiteren 5.000 EUR seit dem 3.4.2008,
aus weiteren 5.000 EUR seit dem 3.5.2008,
aus weiteren 1.500 EUR seit dem 3.6.2008,
aus weiteren 1.500 EUR seit dem 3.7.2008,
aus weiteren 1.500 EUR seit dem 3.8.2008,
aus weiteren 1.500 EUR seit dem 3.9.2008,
aus weiteren 5.000 EUR seit dem 3.6.2008,
aus weiteren 5.000 EUR seit dem 3.7.2008,
aus weiteren 5.000 EUR seit dem 3.8.2008 und
aus weiteren 5.000 EUR seit dem 3.9.2008
zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn der Kläger leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.
IV. Der Beklagten bleibt die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.
V. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung im Nachverfahren an das LG Saarbrücken zurückverwiesen.
VI. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger nimmt die Beklagte aufgrund eines zwischen den Parteien geschlossenen Pachtvertrags auf Zahlung rückständiger Pacht einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen in Anspruch.
Mit schriftlichem Pachtvertrag vom 15.1.2008 (GA 5 ff.) verpachtete der Kläger der Beklagten unter § 1 des Vertrags näher bezeichnete Geschäftsräume im Anwesen [Straße, Nr.] in [Ort] zum Betrieb eines Hotel-G. mit Pilsstube. Nach § 3 des Pachtvertrags beginnt das Pachtverhältnis am 1.1.2008 und endet am 31.12.2012. Danach verlängert es sich um jeweils ein Jahr, wenn es nicht spätestens sechs Monate vor Ablauf der Pachtzeit von einer der Parteien gekündigt wird. Ebenfalls unter § 3 des Pachtvertrags wird der Beklagten für den Fall der Veräußerung der Immobilie ein Vorkaufsrecht eingeräumt, dessen Einzelheiten die Parteien in einer am selben Tag abgeschlossenen Zusatzvereinbarung zum Pachtvertrag (GA 29) geregelt haben. Darin heißt es, dass beabsichtigt ist, die Immobilie, in der sich das Pachtobjekt befindet, im Lauf des Jahres 2017 zu veräußern, sich die Parteien im Hinblick darauf, dass "der Pächter beabsichtigt, in nicht unerheblichem Umfang in die Immobilie zu investieren", für den Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts auf einen Kaufpreis i.H.v. 1.350.000 EUR "nach heutiger Kaufkraft" einigen und das Vorkaufsrecht auch zugunsten des Geschäftsführers der Beklagten als natürlicher Person gilt. Nach § 4 des Pachtvertrags beträgt der monatliche Pachtzins im ersten Vertragsjahr 5.000 EUR, die monatliche Nebenkostenvorauszahlung 1.500 EUR. § 20 des Pachtvertrags enthält eine salvatorische Klausel, nach der, wenn eine Bestimmung des Pachtvertrags unwirksam sein sollte, hierdurch die Wirksamkeit des Vertrags im Übrigen nicht berührt wird.
In der Folgezeit zahlte die Beklagte, die sich seit dem 5.1.2008 im Besitz des Pachtobjekts befindet, lediglich für die Monate Januar bis März 2008 die vereinbarte Pacht von 5.000 EUR/Monat. Weitere Leistungen erbrachte sie nicht.
Mit seiner im Urkundenprozess erhobenen Klage hat der Kläger die vertraglich vereinbarte Pacht für die Monate April bis September 2008 i.H.v. 30.000 EUR (6 × 5.000 EUR) sowie die vertraglich vereinbarten Nebenkostenvorauszahlung für die Monate Januar bis September 2008 i.H.v. 13.500 EUR (9 × 1.500 EUR), insgesamt somit 43.000 EUR zzgl. Verzugszinsen geltend gemacht.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Pachtvertrag sei selbst dann, wenn die Vorkaufsrechtsvereinbarung wegen fehlender notarieller Beurkundung nichtig sei, gültig. Hierzu hat er behauptet, die Vereinbarung des Vorkaufsrechts sei nicht Voraussetzung für den Abschluss des Pachtvertrags gewesen. Zur Einräumung des Vorkaufsrechts sei es erst nach Abschluss der Vertragsverhandlungen auf Nachfrage der Beklagten gekommen. Ferner hat der Kläger gemeint, der Beklagten sei jedenfalls die Berufung auf die Formnichtigkeit des Pachtvertrags nach Treu und Glauben verwehrt.
Die Beklagte hat dem geltend gemachten Anspruch widersprochen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Pachtvertrag sei insgesamt nichtig, da die wegen fehlender notarieller Beurkundung nichtige Vorkaufsrechtsvereinbarung Grundvoraussetzung für den Abschluss des Pachtvertrags gewesen sei.
Durch das angefochtene Urteil (GA 55 - 60), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genomme...