Leitsatz (amtlich)
1. Soweit der Rückkaufswert einer vom Schuldner nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses übernommenen Direktversicherung den Verfügungsbeschränkungen des § 2 Abs. 2 Satz 4 bis 6 BetrAVG unterliegt, kann er auch vom Insolvenzverwalter des Schuldners nach vorzeitiger Kündigung des Versicherungsvertrages nicht für die Masse in Anspruch genommen werden.
2. Hat der Versicherungsnehmer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Kündigung des Versicherungsvertrages erklärt und die Auszahlung des Rückkaufswertes auf ein Konto seiner Ehefrau erwirkt, so kann sich der vom Verwalter auf (erneute) Auszahlung in Anspruch genommene Versicherer mangels wirksam begründeter Empfangszuständigkeit der Empfängerin nicht darauf berufen, wegen Unkenntnis von der Verfahrenseröffnung gemäß § 82 InsO von seiner Leistungspflicht freigeworden zu sein.
3. Ein Bereicherungsausgleich hat in einem solchen Fall nicht zwischen dem Versicherer und dem Schuldner, sondern ausnahmsweise unmittelbar zwischen dem Versicherer und der Ehefrau des Schuldners zu erfolgen, weil dieser bekannt war, dass es an einer wirksamen Anweisung des Schuldners fehlte und sie sich dessen Kenntnis von der Verfahrenseröffnung auch zurechnen lassen müsste.
Normenkette
BetrAVG § 1b Abs. 2, § 2 Abs. 2 Sätze 4-6; BGB § 812 Abs. 1 S. 1; InsO § 82; VVG § 168 Abs. 1, § 169
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 23.06.2023; Aktenzeichen 14 O 424/22) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 23. Juni 2023 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 424/22 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Insolvenzverwalter 18.499,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Dezember 2022 auf das Insolvenzkonto bei der Deutsche Bank AG, IBAN: DE26 5907 0070 0034 2048 15 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 33.760,- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die (erneute) Auszahlung des Rückkaufswertes aus einer privaten Rentenversicherung. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des A., als Inhaber der L.., Z. (im Folgenden: Schuldner); das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 1. Juni 2020 - Az.: 61 IN 7/20 - eröffnet (Anlage K1). Für den Schuldner als versicherte Person bestand bei der Beklagten seit 1. Februar 2012 unter der Versicherungsnummer xxx ein Versicherungsvertrag - Rentenversicherung nach Tarif 38 - als betriebliche Altersversorgung in Form einer sog. Direktversicherung, Versicherungsnehmerin war zunächst die vormalige Inhaberin des Unternehmens, L.. Ausweislich des Antrages vom 27. Dezember 2011 war der Vertrag arbeitgeberfinanziert; für alle Leistungen aus dem Vertrag war der Schuldner als zu versichernde Person sowohl für den Erlebens- als auch für den Todesfall sofort unwiderruflich bezugsberechtigt (sofortige vertragliche Unverfallbarkeit). Bestandteil des Vertrages waren die "Versicherungsbedingungen für die Rentenversicherung (Direktversicherung - V38-201007), im Folgenden: AVB (Anlagenkonvolut B2). Später übernahm der Schuldner die Inhaberschaft des Unternehmens. Auf seinen Antrag vom 19. Januar 2017 bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 22. Februar 2017 die Übertragung des Versicherungsvertrages zum 1. Februar 2017 auf diesen als Versicherungsnehmer sowie die Unverfallbarkeit erworbener Ansprüche (Anlagen B3, B4). Aufgrund eines weiteren Antrages des Schuldners vom 30. April 2020, der auch die Unterschrift seiner Ehefrau sowie die Mitteilung enthielt, dass "neue Bankverbindung" ein auf den Namen der Ehefrau des Schuldners lautendes Bankkonto (Nr. ...xxx) sei (Anlage B5), war der Vertrag in der Zeit vom 1. Februar 2020 bis 1. Juni 2020 beitragsfrei gestellt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragte der Schuldner am 24. Februar 2021 eine erneute Beitragsfreistellung ab dem 1. März 2021, die die Beklagte gewährte (Anlagen B9, B10). Mit Schreiben vom 5. August 2021 (Anlage B11) kündigte er den Versicherungsvertrag und bat um sofortige Auszahlung auf das darin erneut mitgeteilte Bankkonto (Nr. ...xxx), als (vermeintliche) Kontoinhaber waren der Schuldner und dessen Ehefrau angegeben. Die Beklagte, die zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von der Insolvenzeröffnung hatte, keine Datensätze über Insolvenzeröffnungen aus dem Internet bezieht und allgemein, so auch hier, vor der Auszahlung von Versicherungsleistungen keine routinemäßigen Abfragen der im Internet veröffentlichten Insolvenzbekanntmachungen durchführt, rechnete daraufhin mit Schreiben vom 12. August 2021 den Rückkaufswert einschließlich Überschussbeteiligung in Höhe von 33.760,44 Euro ab und überwies den Betrag auf das in dem Schreiben angegebene Konto; von diesem Betrag entfä...