Leitsatz (amtlich)
Die weite Zweckerklärung einer Grundschuld wird als überraschende Klausel i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil, soweit sie sich auf bestehende und künftige Verbindlichkeiten eines Dritten (auch des Ehegatten) bezieht.
Dagegen ist die wirksam, soweit sie in den Zweck der Grundschuld, lastend auf dem Miteigentumsanteil des Ehegatten, dessen eigene (bestehende und künftige) Verbindlichkeiten aus der Geschäftsbeziehung zur Bank einbezieht.
Aus der Unwirksamkeit desjenigen Teils der Sicherungsabrede, der den Sicherungszweck der Grundschuld all dem eigenen Miteigentumsanteil auf künftige Verbindlichkeiten des Ehegatten ausgehend, folgt nicht die Gesamtnichtigkeit der Sicherungsabrede.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 06.07.2005; Aktenzeichen 3 O 407/04) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6.7.2005 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 3 O 407/04 - unter Zurückweisung derselben im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die 1993 zugunsten der Beklagten eingetragene Grundschuld am Objekt in S.-A., verzeichnet im Grundbuch von A., Bd. 59, Bl. ..., die am 9.2.1993 aufgenommenen Darlehen zur Hausfinanzierung des Anwesens in S.-A. - Darlehen Nr. ...-32 sowie ...-40 - besichert. Soweit die Grundschuld auf dem (fiktiven) hälftigen Miteigentumsanteil der Klägerin lastet, sind durch sie die von dem Ehemann der Klägerin im Rahmen seiner Selbständigkeit am 28.3.1991 - Darlehen Nummer ...-67 -, am 25.9.1992 - Darlehen Nummer ...-69 - sowie am 3.11.1993 - Darlehen Nummer ...-85 - aufgenommenen Kredite nicht besichert. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreites werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, die andere Partei leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten über den Umfang einer formularmäßigen Sicherungszweckerklärung für eine Grundschuld. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin und ihr Ehemann nahmen am 9.2.1993 zwei Darlehen über 135.000 DM und 85.000 DM zur Finanzierung des Erwerbs ihres Einfamilienhauses in der in A. bei der Beklagten auf und bestellten zur Absicherung dieser Darlehen eine Grundschuld an diesem Hausgrundstück. Gleichzeitig wurde als Sicherungszweck (Bl. 11) folgendes vereinbart: "Die Grundschuld nebst Zinsen und Nebenleistungen dient zur Sicherheit für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der [Bankbezeichnung] gegen Eheleute R. und S. M." A. - nachstehend Kreditnehmer genannt (ist der Kreditnehmer eine Personenmehrheit, auch Forderung gegen jede Einzelperson) - aus der Geschäftsverbindung (...)."
Zwischenzeitlich wurde das Darlehen über 85.000 DM getilgt, das Darlehen über 135.000 DM wird von der Klägerin in monatlichen Raten bedient.
Bereits vorher - am 28.3.1991 und am 25.9.1992 - wurden dem Ehemann der Klägerin im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit zwei Darlehen über 100.000 DM und 50.000 DM gewährt, deren Absicherung durch Bürgschaft die Klägerin abgelehnt hatte. Am 3.11.1993, nach Aufnahme der Hausfinanzierungsdarlehen, wurde dem Ehemann der Klägerin ein weiteres Darlehen über 50.000 DM gewährt. Die Übertragung des ½ Miteigentumsanteils des Ehemanns der Klägerin auf die Klägerin im Jahre 1998 hat die Beklagte erfolgreich angefochten mit der Folge, dass die Klägerin die Zwangsvollstreckung in den ursprünglich ihrem Ehemann gehörenden Miteigentumsanteil zu dulden hat (OLG Saarbrücken v. 9.3.2004, Bl. 147 ff. d. BA).
Anlässlich der beabsichtigten Beendigung der Geschäftsbeziehungen mit der Beklagten verweigerte diese die Abtretung der zu ihren Gunsten eingetragenen Grundschuld mit der Begründung, dass diese neben dem Hausfinanzierungsdarlehen auch die - noch offenen - Geschäftskredite des Ehemannes der Klägerin absichere. Die Klägerin begehrte deshalb die Feststellung, dass die Grundschuld lediglich die beiden zur Hausfinanzierung aufgenommenen Darlehen besichere, nicht aber die ihrem Ehemann gewährten Darlehen.
Durch das angefochtene Urteil (Bl. 66 ff.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen vollumfänglich gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das LG der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Grundschuld sichere lediglich die zum Zwecke der Hausfinanzierung aufgenommenen Darlehen, die Anlass ihrer Bestellung gewesen seien. Die formularmäßige Ausdehnung des Sicherungszwecks auf alle bestehenden und künftigen Forderungen der Beklagten gegen die Klägerin und ihren Ehemann sei als überraschende Klausel i.S.d. gem. Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB seit dem 1.1.2003 auch auf das vorliegende Schuldverhältnis anwendbaren § 305c Abs. 1 BGB insoweit nicht Vertragsbestandteil geworden, als sie sich auf die Geschäftskredi...