Leitsatz (amtlich)

Der Versicherer muss beweisen, dass der Versicherungsnehmer seiner Nachmeldeobliegenheit nicht genügt hat. Auch insoweit gilt die "Auge- und Ohr-Rechtsprechung".

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 02.02.2006; Aktenzeichen 12 O 465/04)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Saarbrücken vom 2.2.2006, 12 O 465/04, abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 150.000 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 7.8.2004 sowie die hälftigen gemäß RVG-VV 2503 nicht anrechenbaren außergerichtlichen Anwaltskosten gemäß RVG-VV 2500 i.H.v. 1.206,64 EUR zu zahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 150.000 EUR festgesetzt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der am 10.6.2004 verstorbene Ehemann der Klägerin (im Folgenden: Versicherungsnehmer) unterhielt bei der Beklagten unter der Versicherungsschein-Nr. AAAAAA mit Ausstellungsdatum 27.1.2003 und einer Versicherungsdauer vom 1.12.2002 bis 1.12.2024 zugunsten der Klägerin als der Bezugsberechtigten eine Risiko-Lebensversicherung unter Einschluss der Allgemeinen Bedingungen für die Risiko-Lebensversicherung, die für den Todesfall des Versicherten eine Versicherungssumme i.H.v. 150.000 EUR vorsah (Bl. 32 ff. d.A.). In dem formularmäßigen Versicherungsantrag vom 12.12.2002, der über den Versicherungsagenten H. der Beklagten zugeleitet worden war, beantwortete der Versicherungsnehmer die Frage "Bestehen oder bestanden in den letzten 5 Jahren Beschwerden, Störungen, Krankheiten oder Vergiftungen (z.B. Herz, Kreislauf, Bluthochdruck, Schlaganfall, Atmungs-, Verdauungs-, Harn- oder Geschlechtsorgane, Gehirn, Krämpfe, Nerven, Rückenmark, Psyche, Depressionen, Selbsttötungsversuch, geistige Schwäche, Sucht, Augen, Ohren, Haut, Drüsen, Milz, Blut, Leber, Galle, Nieren, Infektionskrankheiten, Geschwülste, Stoffwechsel, Gicht, Rheuma, Allergie, Blutfette, Diabetes, Epilepsie, Drogen, Rauschmittel, Alkohol)?" mit "Nein". Ebenso verneinte er die Frage "Fanden in den letzten 5 Jahren stationäre Behandlungen oder Kuren/Heilverfahren statt?". Unter der Rubrik "Wurden Sie in den letzten 5 Jahren beraten, untersucht oder behandelt? Wenn ja, bitte nähere Angaben unter 'weitere Erläuterungen'" gab er "Dr. S., Sch." an (Bl. 29 d.A.). Zugleich erklärte der Versicherungsnehmer unter den Allgemeinen Hinweisen und Schlusserklärungen, jede bis zur Annahme des Antrages noch eintretende oder bekannt werdende nicht unerhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der zu versichernden Person(en) unverzüglich der betreffenden Gesellschaft schriftlich anzuzeigen.

Bereits am 27.11.2002 hatte der Versicherungsnehmer einen Rollerunfall erlitten und befand sich in der Zeit vom 1.12.2002 bis zum 20.12.2002 in stationärer Behandlung im Städtischen Klinikum N.. Im Verlaufe dieser Behandlung und eingeleiteten Untersuchungen wurde bei dem Versicherungsnehmer ein kleinzelliges Bronchialkarzinom festgestellt, über das der Versicherungsnehmer und die Klägerin am 16.12.2002 in der Klinik unterrichtet wurden (Bl. 47 d.A.). Im Anschluss hieran unterzog sich der Versicherungsnehmer wiederholten stationären Aufenthalten zur Chemotherapie sowie Strahlentherapie. Am 10.6.2004 verstarb er an Hirnmetastasen bei kleinzelligem Bronchialkarzinom (Bl. 46 d.A.).

Am 20.1.2003 erlitt die Klägerin einen Verkehrsunfall, der dem Agenten H. gemeldet wurde.

Nachdem die Klägerin den Tod des Versicherungsnehmers ggü. der Beklagten angezeigt hatte, trat die Beklagte in die Leistungsprüfung ein, im Rahmen derer ihr am 24.6.2004 bzw. 1.7.2004 die ärztlichen Berichte des Dr. M. vom Städtischen Klinikum N. (Bl. 46 ff., 53 ff. d.A.) sowie des Hausarztes Dr. S. zugingen. Sie erklärte mit Schreiben vom 29.6.2004 unter Hinweis darauf, dass der Versicherungsnehmer die am 16.12.2002 offenbarte Krebserkrankung entgegen der ihm obliegenden Nachmeldepflicht nicht mitgeteilt habe, wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit den Rücktritt vom Versicherungsvertrag sowie die Anfechtung des Vertrages (Bl. 48-50 d.A.).

Hinsichtlich einer an die Bank S. am 14.1.2004 ausgebrachten Teilabtretung i.H.v. 5.000 EUR aus der in Rede stehenden Lebensversicherung wurde am 14.2.2005 ggü. der Klägerin eine Freigabeerklärung abgegeben (Bl. 71 d.A.).

Die Klägerin, die die Beklagte auf Auszahlung der Versicherungsleistung in Höhe 150.000 EUR in Anspruch nimmt, macht geltend, dass die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Versicherungsvertrag bzw. eine Anfechtung desselben nicht vorlägen. Denn der Versicherungsnehmer habe, bevor ihm am 16.12.2002 erstmals die Krebserkrankung offenbart worden sei, keine Kenntnis hiervon gehabt. Auch habe er dem Agenten H. bereits am 10.1.2003 das diagnostiz...

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