Leitsatz (amtlich)
1. Ein Korbhenkelriss des Meniskus durch erhöhte Kraftanstrengung ist nicht versichert.
2. Führt ein Gebirgsschlag unter Tage zu einer unwillkürlichen Bewegung des Versicherten, die eine Knieschädigung zur Folge hat, so liegt ein versicherter Unfall auch dann vor, wenn der Versicherte nicht mit äußeren Hindernissen in Kontakt gekommen ist.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 02.12.2003; Aktenzeichen 14 O 139/03) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Saarbrücken vom 2.12.2003 - 14 O 139/03 - wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 9.110,40 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger ist Bergmann. Er nimmt die Beklagte aus einem Unfallversicherungsvertrag in Anspruch, der die AUB 88 (Bl. 22) zugrunde liegen.
Der Kläger zog sich in der Nacht vom 5. zum 6.12.2002 während der Arbeit bei einem Gebirgsschlag - die genauen Umstände des Verletzungshergangs sind zwischen den Parteien streitig - einen Korbhenkelriss im rechten Innenmeniskus zu.
Nachdem er die Beklagte mit Schreiben vom 7.2.2003 zur Leistung von Krankenhaustagegeld, Genesungsgeld sowie Invaliditätsentschädigung aufgefordert hatte, lehnte diese ihre Einstandspflicht mit Schreiben vom 1.4.2003 mit der Begründung ab, dass kein Unfall vorliege.
Der Kläger hat behauptet, dass sich der Gebirgsschlag in der Nachtschicht im Bergwerk ereignet habe, während er auf einem Trippelschildstoßfänger einen Bolzen ausgewechselt habe. Zum Zeitpunkt des Gebirgsschlags habe er auf den Knien gesessen, wobei er durch den Gebirgsschlag derart erschrocken sei, dass er eine Ausweichbewegung zur Seite gemacht und sich dabei das Knie verdreht habe.
Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass die Beklagte als Unfallversicherer verpflichtet ist, ihm im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall vom 6.12.2002 im Bergwerk Versicherungsschutz aus dem Versicherungsvertrag zu gewähren.
Dem ist die Beklagte entgegengetreten.
Die Beklagte hat die Meinung vertreten, dass kein versichertes Unfallereignis vorliege, da nach den - dem Vertrag unstreitig zugrundeliegenden - AUB 88 ein Unfall ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis sei, die Verletzung des Klägers jedoch auf eine ungeschickte eigene Körperbewegung zurückzuführen sei.
Auch ein Unfallereignis nach § 1 Abs. 4 AUB 88 scheide aus, da eine Verletzung des Meniskus nicht hierunter falle.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen vorgetragenen Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das LG hat - nach Beweiserhebung - der Klage stattgegeben und hierzu ausgeführt, dass ein Unfall i.S.d. § 1 Abs. 3 AUB 88 vorliege. Auch eigene Bewegungen des Verletzten könnten einen Unfall darstellen, wenn sie in ihrem Verlauf nicht willensgesteuert seien und die Gesundheitsbeschädigung zusammen mit einer äußeren Einwirkung ausgelöst worden sei. Davon sei hier auszugehen, weil der Kläger aufgrund des Gebirgsschlags erschrocken sei und eine Ausweichbewegung vorgenommen habe, um nicht durch Berge am Kopf verletzt zu werden. Dies stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest. Damit sei die Eigenbewegung des Klägers nicht willensgesteuert, sondern durch ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, den Gebirgsschlag, ausgelöst worden.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung und eine fehlerhafte Rechtsanwendung rügt. Die Beklagte ist der Ansicht, dass das LG zu Unrecht angenommen habe, dass ein Unfallereignis i.S.d. § 1 Abs. 3 AUB 88 vorliege, da der Kläger hier nicht reflexhaft auf den Gebirgsschlag reagiert, sondern es sich um eine rational überlegte Ausweichbewegung gehandelt habe.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Saarbrücken vom 2.12.2003 - 14 O 139/03 - die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten sowie das Sitzungsprotokoll vom 24. 112004 Bezug genommen.
II. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Der Kläger kann dem Grunde nach Versicherungsschutz aus seiner bei der Beklagten unterhaltenen Unfallversicherung verlangen, weil er einen versicherten "Unfall" erlitten hat.
1. Das folgt allerdings nicht aus § 1 Abs. 4 Nr. 2 AUB 88. Danach "gilt" als Unfall auch, wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden.
Die Verletzung des Klägers, ein Korbhenkelriss im Innenmeniskus, stellt weder die Verrenkung eines Gelenks (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 AUB 88) noch die Zerrung oder den Riss von Muskeln, Sehnen, Bändern oder Kapseln dar. Der Meniskus zählt his...