Leitsatz (amtlich)
1. Es kann nicht als Behandlungsfehler gewertet werden, wenn im Jahre 1993 eine laparoskopische Appendektomie vorgenommen wurde, weil die Methode schon zu einem Routineverfahren ausgereift war.
2. Diese Methode ist vor allem bei einer Verdachtsdiagnose einer Appendizitis indiziert, weil sich der letzte Schritt der Diagnostik mit dem ersten Schritt der Therapie vereinigt.
3. Ein Hinweis auf die Behandlungsalternative einer herkömmlichen Operation mit Bauchschnitt ist entbehrlich, weil die offene Operation belastender ist als die laparoskopische Appendektomie.
Normenkette
BGB §§ 823, 847
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 16 O 180/99) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.6.2001 verkündete Urteil des LG in Saarbrücken – 16 O 180/99 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Wert der durch die Entscheidung begründeten Beschwer der Klägerin wird auf 15.338,76 Euro festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wurde am 13.12.1993 wegen starker Schmerzen im Unterbauch, Fieber und Übelkeit in die C.Klinik St. T., deren Trägerin die Beklagte zu 1) ist, stationär aufgenommen. Am 15.12.1993 nahm der Beklagte zu 2), der als Oberarzt in der C.Klinik St. T. tätig war, eine diagnostische Laparoskopie vor, die infolge eines dabei festgestellten stark verlängerten, am Ende deutlich aufgetriebenen und gefäßinjizierten Appendix als laparoskopische Appendektomie zu Ende geführt wurde. Nachdem sich eine Appendixstumpfinsuffizienz nebst einer Appendixstumpfnekrose gebildet hatte, die eine Peritonitis auslöste, erfolgte am 20.12.1993 wegen eines akuten Abdomens eine Notoperation. Die Klägerin, die bis zum 14.1.1994 in der stationären Behandlung der C.Klinik St. T. verblieb, war gezwungen, sich in der Folgezeit zahlreicher weiterer stationärer Behandlungen zu unterziehen.
Die Klägerin nimmt die Beklagten unter dem Gesichtspunkt einer fehlerhaften Behandlung und einer Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht auf Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 20.000 DM sowie Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden in Anspruch. Das LG, auf dessen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung der Klägerin ist zulässig, bleibt aber aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung in der Sache ohne Erfolg.
Die Beklagten sind der Klägerin weder wegen eines Behandlungsfehlers noch einer Aufklärungspflichtverletzung zur Zahlung von Schmerzensgeld und weiterer Schadenersatzleistungen verpflichtet.
A. Die Klägerin hat nicht den ihr als Voraussetzung eines vertraglichen wie auch deliktischen Anspruchs obliegenden Beweis erbracht, durch einen von den Beklagten zu verantwortenden Behandlungsfehler eine Gesundheitsbeschädigung erlitten zu haben.
I. Der Arzt befindet sich in Einklang mit dem Recht, wenn sein Eingriff indiziertermaßen geschieht und den Regeln des Faches entspricht (OLG Saarbrücken v. 3.11.199 – 1 U 419/97–91, OLGReport Saarbrücken 2000, 204 f. m.w.N.).
1. Die vertragliche Haftung des Arztes für Behandlungsfehler knüpft an die Verletzung von Behandlungspflichten an, die in gleicher Weise und mit demselben Inhalt auf den Schutz des Patienten bezogen sind wie die Pflichten, deren Verletzung zur deliktischen Arzthaftung führen. Damit stimmen vertragliche und deliktische Verhaltenspflichten und auch die Voraussetzungen beider Haftungstatbestände i.S.e. Strukturgleichheit überein. Die identischen Sorgfaltspflichten richten sich auf eine den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechende Versorgung des Patienten mit dem Ziel der Wiederherstellung seiner körperlichen und gesundheitlichen Integrität. Auf der Rechtsfolgenseite ist indes zu beachten, dass ein Schmerzensgeldanspruch (§ 847 BGB) nur bei deliktischer Haftung in Betracht kommt (OLG Saarbrücken v. 26.8.1998 – 1 U 776/97-153, OLGReport Saarbrücken 1999, 58 f. m.w.N.).
2. Der Arzt hat die beruflich gebotene Sorgfalt zu wahren und damit die ärztlichen Kunstregeln zu beachten. Die Sorgfaltspflichten bestimmen sich nach dem jeweiligen, dem handelnden Arzt bei zumutbaren Anstrengungen zugänglichen und verfügbaren Stand der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Behandlung. Unter einem Behandlungsfehler ist also ein ärztliches Verhalten bei der medizinischen Versorgung zu verstehen, das nach dem Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft der gebotenen Sorgfalt nicht genügt und damit – wie etwa eine Behandlung contra legem – unsachgemäß ist. Erst wenn der Behandlungsfehler und seine Ursächlichkeit für eine Beschädigung des Patienten feststehen, greift die Haftung des Arztes ein. Beides hat der Patient nachzuweisen (OLG Saarbrücken v. 26.8.1998 – 1 U 776/97-153, OLGReport Saarbrücken 1999, 58 f. m.w.N.).
II. Nach dies...