Leitsatz (amtlich)
1. Ein Gericht, das dem Kläger in der mündlichen Verhandlung eine Frist setzt, um eine für die Aktivlegitimation des Klägers relevante Abtretungsvereinbarung zur Akte zu reichen, wegen der Weihnachtsfeiertage und des Urlaubs des Richters einen nach dem Ablauf der Frist liegenden Verkündungstermin bestimmt und diesen auf Antrag der Partei darüber hinaus verlängert, hat das ihm im Rahmen des § 156 Abs. 2 ZPO zustehende Ermessen ungeachtet des § 296a ZPO dahingehend auszuüben, dass die mündliche Verhandlung wiederaufzunehmen ist, da es einen im Rahmen des Art. 103 Abs. 1 GG zu beachtenden Vertrauenstatbestand gesetzt hat und bei Abwägung der gegenläufigen Interessen das Interesse an der Herbeiführung einer richtigen Entscheidung dasjenige am schnellen Abschluss der Instanz überwiegt.
2. Da dies einen wesentlichen Mangel des Verfahrens erster Instanz i.S.d. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO darstellt, kommt eine Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht durch das Berufungsgericht in Betracht, sofern gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 a.F. ZPO ein entsprechender Antrag einer der Parteien gestellt wird.
3. Das Handeln eines von einer räum- und streupflichtigen Gemeinde mit der Durchführung des Winterdienstes beauftragten Unternehmers hat diese sich im Rahmen des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG dann wie eigenes Handeln zurechnen zu lassen, wenn der Winterdienstunternehmer als Werkzeug der Gemeinde zu qualifizieren ist, d.h. wenn der Entscheidungsspielraum des Unternehmers durch die Vorgaben der Gemeinde eng begrenzt ist.
4. Wird mit Streusalz vermischter Schnee beim maschinellen Räumen von Straßen mehrere Meter weit auf die Grundstücke von Anliegern geschleudert und werden hierdurch auf diesen befindliche Pflanzen wie Bäume oder Hecken geschädigt, so kommt eine Haftung wegen Amtspflichtverletzung in Betracht. Der Fall liegt anders als im Falle einer Schädigung durch abfließendes salzhaltiges Schmelzwassers und durch von Fahrzeugen aufgewirbelte salzhaltige Gischt.
5. Voraussetzung ist allerdings, dass der Schaden durch ein schuldhaftes Verhalten von Amtsträgern oder durch als Werkzeug des Hoheitsträgers anzusehende Personen verursacht wurde. Ein solches Verschulden kann sich daraus ergeben, dass das Herüberwirbeln des Schnees auf angrenzende Grundstücke nicht dadurch verhindert wird, dass eine andersartige Einstellung des Schneeschildes oder eine langsamere Fahrweise des Räumfahrzeugs gewählt wird oder dass durch geeignete bauliche, nicht besonders aufwändige Maßnahmen verhindert wird, dass salzgetränkter Schnee auf die Grundstücke der Anlieger geschleudert wird. Ist dies alles nicht möglich, hat sich der zuständige Hoheitsträger ggf. darauf zu beschränken bzw. seine Hilfspersonen anzuweisen, die Straße lediglich zu räumen und mit abstumpfenden Mitteln wie Splitt, Granulat etc. und nicht mit Streusalz abzustreuen.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 28.01.2015; Aktenzeichen 4 O 145/14) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.01.2015 verkündete Urteil des LG Saarbrücken (4 O 145/14) aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung, Beweisaufnahme und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das LG Saarbrücken zurückverwiesen.
II. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche auf Grund einer behaupteten Amtspflichtverletzung geltend.
Die Beklagte übertrug den Räum- und Streudienst für die Straße ... pp., mit Dienstleistungsvertrag vom 02.12.2011 (Anlage K 1 - Bl. 11 d.A.) für den Winter 2012/2013 auf den Unternehmer D. M..
Dieser führte den Winterdienst auch vor dem Anwesen des Klägers in... pp. durch.
Die Parteien streiten darüber, ob der Winterdienst sachgerecht ausgeführt wurde und durch diesen Schäden an einer klägerischen Thuja-Hecke verursacht wurden.
Mit Schreiben der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 14.08.2013 (Bl. 20 d.A.) wurde die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 26.08.2013 vergeblich aufgefordert, ihre Einstandspflicht zu erklären.
Der Kläger hat behauptet, er habe am Straßenrand eine Thuja-Hecke gepflanzt, deren Eigentümer er sei. Bei Durchführung des Winterdienstes sei das Streusalz unsachgemäß ausgeworfen worden und habe die Thuja-Hecke getroffen. Auch sei mit dem Schneeschild des Streufahrzeugs streusalzhaltiger Schnee direkt an die Thuja-Hecke befördert worden. Der Winterdienst habe nicht nur die Straße abgestreut, sondern das Streusalz in zu großen Mengen über den Straßenrand hinaus mit der Thuja-Hecke in Berührung gebracht.
Die Thuja-Hecke des Klägers zeige seit dem Frühjahr im unteren Bereich eine durchgehend braune Verfärbung. Es handle sich hierbei um typische Streusalzschäden, die irreversibel seien.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne die Höhe des Schadens derzeit nicht abschließend beziffern. Jedenfalls sei ihm mindestens ein Schaden in Höhe von 5.451,39 EUR brutto entstanden für den Austausch der Hecke (Kostenvoran...