Leitsatz (amtlich)
Zur Schätzung der haushaltsspezifischen MdE bei der Ermittlung des Haushaltsführungsschadens.
Normenkette
BGB §§ 253, 843; StVG §§ 7, 11; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 10.03.2022; Aktenzeichen 10 O 24/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 10.3.2022 - 10 O 24/20 - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über den Betrag von 10.000,- EUR hinaus ein weiteres Teilschmerzensgeld von 5.000,- EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.12.2018 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 9.813,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten aus einem Betrag von 1.596,03 EUR seit dem 28.12.2018 sowie einem weiteren Betrag von 8.217,- EUR seit dem 21.6.2022 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab dem 1.7.2022 bis einschließlich 30.09.2037 vierteljährlich im Voraus 405,- EUR pro Quartal, fällig jeweils zum 1.1., 1.4., 1.7 und 1.10. eines jeden Jahres, zuletzt am 1.7.2037, zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.954,46 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.12.2018 zu zahlen.
5. Der Feststellungsantrag wird als unzulässig und die Klage im Übrigen als unbegründet abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 65 % und die Beklagte zu 35 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 29 % und die Beklagte zu 71 %.
III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts Saarbrücken sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 1.12.2016 auf der BAB 620 in Höhe V. ereignet hat. Die alleinige Einstandspflicht der Beklagten steht nicht im Streit und wurde von dieser mit Schreiben vom 4.1.2019 mit der Wirkung eines rechtskräftigen Feststellungsurteils anerkannt.
Die Klägerin erlitt bei dem Unfall eine instabile Fraktur des Lendenwirbelkörpers (LWK) 1 und befand sich in der Zeit vom 1.12. bis 14.12.2016 in stationärer Krankenhausbehandlung, im Rahmen derer die Fraktur am 7.12.2016 mit kombinierter Corporektomie des LWK 1 und Spondylodese BWK 12 - LWK 2 unter Implantation eines X-Core-Cage operativ versorgt wurde. Die Klägerin musste bis Anfang März 2017 ein Stützkorsett tragen und war bis zum 27.3.2017 arbeitsunfähig krankgeschrieben. In der Zeit vom 28.3. bis 16.4.2017 befand sie sich in einer stationären Reha-Maßnahme. Am 23.4.2017 nahm sie ihre Arbeit als kaufmännische Angestellte wieder auf. Vorgerichtlich zahlte die Beklagte an die Klägerin u.a. ein Schmerzensgeld von 10.000,- EUR sowie einen Betrag von 2.813,97 für Haushaltsführungsschäden.
Erstinstanzlich hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung eines angemessenen Teilschmerzensgeldes in Höhe von mindestens weiteren 12.500,- EUR, Ersatz weiteren Haushaltsführungsschadens für die Zeit vom 1.12.2016 bis 31.12.2020 von 15.635,17 EUR, eine monatliche Haushaltsführungsschadensrente von 308,57 EUR ab dem 1.1.2021 sowie Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten von 2.806,50 EUR in Anspruch genommen. Ferner hat sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte ihr zum Ersatz aller weiteren unfallbedingten immateriellen Schäden verpflichtet ist, die sich aus zukünftigen Verschlimmerungen des derzeitigen Zustands ergeben. Hierzu hat sie geltend gemacht, sie leide seit dem Unfall unter ständigen Rückenschmerzen, habe beim längeren Stehen ein Kribbeln in den Oberschenkeln und beim Liegen ein Kribbeln in den Armen und sei nach wie vor durch das Erleben des Unfallgeschehens und die Unfallfolgen psychisch belastet. Ihre Lebensfreude sei durch die bleibenden Beeinträchtigungen erheblich eingeschränkt. Seit dem Unfall liege in unterschiedlichem Umfang eine haushaltsspezifische MdE vor, die seit dem 16.4.2017 dauerhaft 30 % betrage. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das Landgericht, auf dessen tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zum Ersatz weiteren Haushaltsführungsschadens von 1.596,03 EUR nebst Zinsen sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten von 1.242,84 EUR verurteilt. Zur Begründung hat es - soweit in der Berufung noch von Interesse - ausgeführt, der Klägerin stehe kein weiteres Schmerzensgeld zu. Für die Zeit ab dem 5.6.2017 könne sie auch keinen Ersatz des Haushaltsführungsschadens verlangen, da sie in der Lage sei, die ab diesem Zeitpunkt noch fortbestehende haushaltsspezifische MdE von 15 % durch Umorganisation oder den Einsatz technischer Hilfsmittel vollständig zu kompensieren.
Hiergegen richtet s...