Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz wegen rechtsfehlerhafter Nichtberücksichtigung eines Bieters im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung
Leitsatz (amtlich)
a) Die in der Rechtsform einer GmbH tätigen Stadtwerke sind an die Vorgaben der VOB/A gebunden.
b) Die Wertungsentscheidung nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A hat sich an festen Kriterien zu orientieren. Bei nach den sonstigen Wertungskriterien inhaltlich gleichen Angeboten ist der Auftraggeber nicht frei, auch einem nur geringfügig höherem Angebot den Zuschlag zu erteilen.
c) Eine Entscheidung nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A darf nur auf Kriterien gestützt werden, die bei der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten bekannt gemacht worden sind. Es ist unzulässig, nachträglich weitere Vergabekriterien einführen (im Fall: Mehrkosten einer über den ausgeschriebenen Bereich hinaus möglicherweise beabsichtigten Ausdehnung einer Kanalbaustrecke).
d) Eventualpositionen, welche mit Vordersätzen im Leistungsverzeichnis enthalten sind, sind aus Gründen der Transparenz und der Wettbewerbsgerechtigkeit in die Wertung einzubeziehen.
e) Nimmt der Auftraggeber ohne Kenntnis des Bieters an dessen Angebot Manipulationen vor, ist das Angebot ohne die vorgenommenen Manipulationen in der Wertung zu belassen.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 26.07.2007; Aktenzeichen 4 O 89/99) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 26.7.2007 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - AZ.: 4 O 89/99 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen den Beklagten als Gesamtschuldnern zur Last.
III. Die Kosten der Nebenintervention tragen die Streithelfer.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 362.922,69 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beklagte zu 1), die Stadt B., und die Beklagte zu 2), die in der Rechtsform einer GmbH geführten Stadtwerke B., schrieben am 27.06.1998 die Baumaßnahme "Ausbau der Ortsdurchfahrt W." in fünf Losen öffentlich aus (GA 14). Los 1 betraf die Straßenbauarbeiten, Los 2 die Gehwegerneuerung, Los 3 die Kanalbauarbeiten, Los 4 die Wasserleitungsverlegung und Los 5 den Radwegbau. Ausweislich der Vorbemerkungen zu dem Auftrag war beabsichtigt, die Lose 1 bis 4 nicht getrennt zu vergeben, während eine gesonderte Vergebung von Los 5 in Betracht gezogen wurde. Bezüglich Los 4 sahen die Vertragsunterlagen (Vorbemerkungen) einen Ausschluss der VOB/A vor, weil sich die Beklagte zu 2) vorbehielt, vom wirtschaftlichsten Bieter nur die Erdarbeiten vornehmen zu lassen und die Wasserleitungsverlegungen selbst auszuführen (GA 199). Eine von der Streithelferin zu 1) der Beklagten vor Auftragsvergabe erstellte Kostenberechnung ergab einen Auftragswert i.H.v. 5.266,819,38 DM.
Anlässlich der Submission vom 21.7.1998 erwies sich das Angebot der Firma L. & We mit 4.548.607,08 DM als das kostengünstigste Angebot der Ausschreibung. Das nächstniedrigste Angebot hatte die Klägerin mit 5.995.388,40 DM abgegeben. Daneben hatten die BG T. V./W., S., ein Angebot über 6.016.898,85 DM, die BGB Te., N./G., N., ein Angebot über 6.115.016,08 DM, die BG W.+S., Z./Si., Z., ein Angebot über 6.892.268,83 DM und die Firma St., S.I., ein Angebot über 7.644.847,04 DM abgegeben (GA 15). Nach Prüfung der Angebote durch die Streithelferin zu 1) erklärte die Firma L. & We, sich bei verschiedenen Positionen verkalkuliert zu haben und den Auftrag zu dem Angebotspreis nicht ausführen zu können. Daraufhin nahmen die Beklagten das Angebot der Firma L. & We aus der Wertung.
Durch Schreiben vom 23.7.1998 teilten die Beklagten der Klägerin mit, dass die Ausschreibung für das Bauvorhaben "Ausbau der Ortsdurchfahrt W." aus schwerwiegenden Gründen aufgehoben worden sei. Die Ausschreibung habe nicht das erwartete Ergebnis erbracht, weil ein angemessenes oder annehmbares Angebot nicht vorgelegen habe (GA 16). Die Klägerin erwiderte den Beklagten durch Schreiben vom 28.7.1998, die Aufhebung der Ausschreibung sei für sie nicht nachvollziehbar, weil sie ein angemessenes und annehmbares Angebot eingereicht habe (GA 17). Außerdem wandte sich die Klägerin an die Vergabeprüfungsstelle beim Ministerium des Innern des Saarlandes. Die Vergabeprüfungsstelle erachtete durch Bescheid vom 17.9.1998 die Aufhebung der Ausschreibung als rechtswidrig und empfahl den Beklagten, den Auftrag im Wege der freiwilligen Vergabe der Klägerin zu erteilen (GA 30 ff.). Durch Schreiben ihres Rechtsanwalts, des Streithelfers zu 2), teilten die Beklagten der Klägerin am 7.10.1998 mit, die Aufhebung der Ausschreibung bewege sich im Rahmen des dem Ausschreibenden eröffneten Beurteilungsspielraumes. Etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin wurden zurückgewiesen (GA 37).
Zw...