Verfahrensgang
AG Ahrensburg (Entscheidung vom 01.09.2010) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Das Verfahren wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Ahrensburg zurückverwiesen.
Gründe
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat - vorläufig - Erfolg.
Zunächst ist sie als fristgerecht begründet anzusehen, nachdem das Amtsgericht - in Verkennung der ihm insoweit fehlenden Zuständigkeit (§ 46 Abs. 1 StPO) - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde bewilligt hat. Für diese Entscheidung wäre der Senat zuständig gewesen; jedoch ist die durch den Tatrichter statt durch das zuständige Rechtsmittelgericht bewilligte Wiedereinsetzung für das weitere Verfahren bindend (Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl., § 46, Rn. 7).
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet, soweit sie sich mit der allgemeinen Sachrüge gegen das Urteil wendet. Die Staatsanwaltschaft bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht hat hierzu in ihrer an den Senat gerichteten Antragsschrift vom 21. Dezember 2010 u. a. ausgeführt:
"Die in materieller Hinsicht vorzunehmende Überprüfung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Urteils, da die in ihm dargelegten getroffenen Feststellungen und die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung lückenhaft sind. Sie ermöglichen dem Senat nicht die sichere Nachprüfung, ob das Amtsgericht seine Überzeugung von der Geschwindigkeitsüberschreitung ohne Rechtsfehler gewonnen hat.
1. Den Feststellungen des angegriffenen Urteils ist lediglich zu entneh-men, dass die Geschwindigkeitsmessung mit Hilfe eines Messfahrzeugs unter Verwendung des ProVida 2000-Systems erfolgte (UA Seite 2). Das angewandte ProVida 2000-System ist sowohl zur Geschwindigkeits- als auch zur gleichzeitigen Abstandsmessung seit über 15 Jahren in ständigem Gebrauch und als standardisiertes Messverfahren für Geschwindigkeitsmessungen anerkannt (Beschl. des II. Senats für Bußgeldsachen vom 20.06.2003 - 2 Ss-OWi 82/03 - Juris; BGHSt 39, 291; OLG Hamm, Beschl. v. 22.09.2003 - 2 Ss-OWi 518/03 - Juris; OLG Braunschweig, NZV 1995, 367 - Juris; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 3 StVO Rdnr. 62 a). Daraus folgt, dass es hinsichtlich der Geschwindigkeitsmessung in den Urteilsgründen lediglich der Darstellung bedarf, dass nach dem ProVida-System gemessen, welches nach diesem System mögliche Messverfahren angewandt und welcher Toleranzwert zugrunde gelegt wurde (Beschlüsse des II. Senats für Bußgeldsachen vom 29.12.2009 - 2 Ss-OWi 135/09 (102/09) - und vom 20.06.2003 - 2 Ss-OWi 82/03 (55/03) - Juris; OLG Hamm, Beschlüsse vom 11.03.2003 - 1 Ss-OWi 6 1/03 - m. w. N. und 15.11.2000 - 2 Ss-OWi 1057/00 - Juris).
Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht, denn es teilt die angewandte Messmethode zur Feststellung der durch den Betroffenen bestrittenen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht mit. Das Messgerät ProVida 2000 lässt verschiedene Einsatzmöglichkeiten zu, nämlich die Messung aus einem stehenden Fahrzeug, aus einem mit konstantem Abstand nachfahrenden oder vorwegfahrenden Fahrzeug und die Weg-Zeit-Messung. Die Kenntnis der im Einzelfall angewandten Messmethode ist u.a. für die Beurteilung der Frage wesentlich, ob der mitgeteilte Toleranzabzug zutreffend und ausreichend ist (OLG Hamm, 3. Senat für Bußgeldsachen, Beschl. v. 09.12.2009 - 3 Ss-OWi 948/09 - Juris; Thüringer OLG, Senat für Bußgeldsachen, Beschl. v. 08.05.2006 - 1 Ss 60/06 - Juris; Thüringer OLG, I. Strafsenat, Beschl. v. 11.08.2005 - 1 Ss 216/05 - Juris).
Das Instanzgericht war auch nicht deshalb von der Notwendigkeit entbunden, die Art der Messdurchführung zu beschreiben, weil es in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auf die "Auswerteberichte samt dort enthaltener Bilder und die Videobandaufzeichnung" gem. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO ausdrücklich Bezug genommen und mitgeteilt hat, auf den Videobandaufzeichnungen sei "...zu erkennen, dass sich das Geschehene so zugetragen hat, wie es der Zeuge R. bekundet hat" (UA Seite 3).
Zum einen verhält sich das Urteil nicht über den Inhalt der Aussage des Zeugen R., zum anderen ist die Bezugnahme fehlerhaft, da Bezugnahmen auf Aktenteile auch im bußgeldrichterlichen Urteil grundsätzlich unzulässig sind (§ 71 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 267 StPO). Der Tatrichter hat vielmehr in seiner Entscheidung die erhobenen Beweise in einer aus sich heraus verständlichen Form zu würdigen. Dem stünde die Verweisung auf den Inhalt bei der Sachakte befindlicher, zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachter Urkunden entgegen (vgl. Göhler, OWiG, § 71 Rdnr. 42, 43, 43 d m. w. N.). Lediglich auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann im Rahmen der Beweiswürdigung wegen der Einzelheiten verwiesen werden. Jedenfalls bei den in der angefochtenen Entscheidung in Bezug genommenen Auswertungsberichten handelt es sich nicht um eine Abbildung im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO sondern um Urkunden nach § 249 StPO....