Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Wertfestsetzung nach § 63 GKG findet im Falle teilweiser Klagrücknahme oder Teilerledigung keine Streitwertreduktion (Stufenstreitwert) statt.
2. Eine Wertaddition wird auch bei sich zeitlich nicht überschneidendem Streitgegenstandswechsel vorgenommen (Abweichung von OLG Schleswig v. 28.02.2012 - 17 W 1/12, SchlHA 2012, 263f).
Normenkette
GKG § 63
Tenor
Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Landgerichts Kiel vom 09.12.2021 in Ziffer II. abgeändert und der Streitwert auf bis zu 30.000,00 EUR festgesetzt. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Kläger haben zunächst Stufenklage auf Auskunft, Wertermittlung und Zahlung ihrer sich nach Auskunftserteilung ergebenden Pflichtteilsansprüche erhoben sowie daneben als Mindestbetrag beziffert Zahlung an jeden von ihnen in Höhe von 5.001,00 EUR nebst Zinsen verlangt. Sie haben erklärt, sie gingen für jeden von ihnen von einem Pflichtteilsanspruch in Höhe von jedenfalls 8.333,00 EUR aus, der sich mit jeweils 1/12 aus einem Nachlasswert von mindestens 100.000,00 EUR ergebe. Diesen Wert hätten die zum Nachlass gehörenden Grundstücke mindestens, wahrscheinlich erheblich mehr. Mit der Klage vorgelegt haben die Kläger ein notariell beurkundetes Testament des Erblassers und seiner Ehefrau vom Mai 1999, in dem diese den Wert ihres gegenwärtigen Reinvermögens mit 260.000,00 DM angegeben hatten.
Die Kläger hatten mit der Klage den Streitwert für Auskunft und Wertermittlung nach dem von ihnen geschätzten Aufwand für die Auskunft bzw den Kosten für die Wertermittlung angegeben zuzüglich des Wertes des bezifferten Zahlungsantrags, insgesamt mit 13.002,00 EUR. Das Landgericht hat, ohne zuvor die Kläger zur Erklärung über ihre konkrete Erwartung aufgefordert zu haben, den Streitwert vorläufig auf 16.666,00 EUR festgesetzt.
Die Beklagten haben die geltend gemachten Ansprüche anerkannt, das Landgericht hat Teilanerkenntnisurteil erlassen. Sie zahlten den anerkannten Teilbetrag und nach Wertermittlung und Auskunftserteilung insgesamt weitere 17.000,00 EUR. Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 21.04.2021 Auskunfts- und Wertermittlungsantrag soweit noch anhängig für erledigt erklärt und klagerweiternd beantragt, die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Kläger jeweils weitere 3.112,97 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Der Wert des Nachlasses betrage 199.367,60 EUR, wovon jedem von ihnen als Pflichtteil 16.613,97 EUR rechnerisch zustünden.
Die Beklagten haben sich der Teilerledigungserklärung angeschlossen. Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache durch Vergleich erledigt worden. Das Landgericht hat im angefochtenen Beschluss den Streitwert auf 16.666 bis zur Teilerledigung und auf 6.225,94 EUR seither festgesetzt.
Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Kläger. Sie machen geltend, maßgeblich für die Wertfestsetzung der Stufenklage bis zur Erledigung sei ihre anfängliche, wesentlich höhere Erwartung zu ihren Pflichtteilsansprüchen, nicht nur die Mindestforderung. Festzusetzen sei der Wert, der sich nach den gesamten Pflichtteilsansprüchen ergebe. Zumindest sei aber die Klagerweiterung werterhöhend zu berücksichtigen.
Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Beklagten meinen, es sei nur der von den Klägern selbst ursprünglich angegebene Wert festzusetzen. Den habe das Landgericht schon überschritten.
II. Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.
Zutreffend gehen Landgericht und Kläger inzwischen übereinstimmend davon aus, dass der Wert bei der Stufenklage sich nach dem höchsten geltend gemachten Anspruch, hier dem Zahlungsantrag richtet und dieser sich nach der Erwartung der Kläger bei Klagerhebung richtet. Die Kläger haben seinerzeit allerdings keine konkrete Erwartung - auch nicht der Größenordnung nach - mitgeteilt, sondern nur einen Mindestbetrag, der ihnen jedenfalls zustehe. Da im Regelfall nicht anzunehmen ist, dass ein Klagverfahren auf Auskunftserteilung und Zahlung eines über die Mindesterwartung hinausgehenden Betrages hinaus nur wegen eines Minimalbetrages betrieben wird, zudem die Kläger mit nicht unerheblichen - für die Wertbestimmung aber nicht maßgeblichen - Kosten für die Auskunftserteilung und Wertermittlung rechneten, überstieg das Interesse der Kläger die Wertfestsetzung des Landgerichts, die sich auf die angegebenen Mindestansprüche beschränkt hat.
Die Erwartung der Kläger bei Klageinreichung, die sich aus dem Wert des noch nicht bezifferten Teilbetrags der Stufenklage und des schon bezifferten Teils ergibt, wird auf bis zu 25.000,00 EUR bestimmt. Weil die Kläger ihre Erwartung nicht konkret mitgeteilt und das Landgericht diese auch nicht erfragt hat, ist nur eine Schätzung möglich. Aus der Klagschrift ergibt sich, dass die Kläger mit "erheblich" höheren Werten im Nachlass rechneten, als von ihnen zunächst ihrer Berechnung des Mindestpflichtteils zugrundegelegt worden war. In ihrem gemeinschaftlichen Testament vom Mai 1999 haben der Erblasser und seine Ehefrau seiner...