Verfahrensgang
LG Kiel (Aktenzeichen 9 O 265/02) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert:
Die von den Klägerinnen als Gesamtschuldner an die Beklagten zu erstattenden Kosten werden anderweit auf 4.820 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 17.2.2003 festgesetzt.
Die Entscheidung ist gerichtsgebührenfrei.
Die Klägerinnen tragen die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 2.400 Euro.
Gründe
Die gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 2, 569 ZPO n.F. zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Rechtspflegerin hat die von den Beklagten zur Festsetzung angemeldete Erhöhungsgebühr aus § 6 Abs. 1 BRAGO zu Unrecht mit der Erwägung abgesetzt, die Klage habe sich gegen die Beklagten als die zwischen ihnen bestehende Anwaltssozietät gerichtet; Auftraggeber der Beklagten als Prozessbevollmächtigte sei die BGB-Gesellschaft.
Für diese Betrachtungsweise gibt es keine hinreichend klaren Anhaltspunkte. Dafür könnte allenfalls sprechen, dass sämtliche Beklagten in der Klageschrift ausschließlich mit der Kanzleianschrift angeführt sind und dass vorprozessual eine Beschränkung der zuzustellenden Abschriften abgesprochen war (vgl. Schriftsatz der Klägerinnen vom 6.8.2002). Das allein genügt für die dem angefochtenen Beschluss ersichtlich zugrunde liegende Annahme nicht, die Klägerinnen hätten ausschließlich die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als solche im Hinblick auf deren seit dem Urteil des BGH vom 29.1.2001 (z.B. BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHReport 2001, 237 = MDR 2001, 459 = AG 2001, 307 = NJW 2001, 1056 ff.) anerkannte Rechts- und Parteifähigkeit auf Schadensersatz aus der Verletzung von Anwaltspflichten aus dem früheren Mandatsverhältnis in Anspruch nehmen wollen. Dagegen spricht schon die namentliche Anführung aller Beklagter (statt der zulässigerweise geführten Sozietätsbezeichnung „Lauprecht Rechtsanwälte Notare”) und – vor allem – der Klagantrag, nach dem alle Beklagten jeweils als Gesamtschuldner der an die Klägerinnen zu zahlenden Beträge verurteilt werden sollten. Daraus geht hervor, dass den Klägerinnen eventuell nicht einmal die Möglichkeit, von der Sozietät als solcher Ersatz zu verlangen, bewusst gewesen ist; sie haben jedenfalls von der Empfehlung des BGH, die BGB-Gesellschaft als solche und daneben die Gesellschafter persönlich zu verklagen (BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHReport 2001, 237 = MDR 2001, 459 = AG 2001, 307 = NJW 2001, 1060), eindeutig keinen Gebrauch gemacht. Auch sonst lässt sich dem Klagevorbringen nichts für die Auffassung entnehmen, die Klägerinnen hätten Schadensersatz nur von der Sozietät begehrt.
In gegen die Mitglieder einer Anwaltssozietät geführten Passivprozessen ist nach der bisherigen Auffassung des Senats (JurBüro 1987, 1719) und der ganz überwiegenden Meinung in der obergerichtlichen Rspr. (z.B. OLG Düsseldorf v. 6.4.2000 – 10 W 30/00, OLGReport Düsseldorf 2000, 333 = MDR 2000, 851 f. m.w.N.) § 6 Abs. 1 BRAGO sowohl bei Vertretung durch Sozietätsmitglieder als auch durch einen außenstehenden Anwalt anwendbar. Der vorwiegend auf Billigkeitserwägungen gestützten Mindermeinung (vgl. Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 6 Rz. 13) ist durch die genannte BGH-Entscheidung die Grundlage entzogen. Der Mandant hat es seither selbst in der Hand, ob er nur die Sozietät als solche oder zusätzlich oder nur die einzelnen Gesellschafter mit dem Ziel einer Vollstreckung auch in deren Privatvermögen in Anspruch nehmen will. Demgemäß ist die Erstattungsfähigkeit des Mehrvertretungszuschlags im Passivprozess auch in der neueren Rspr. anerkannt (OLG Nürnberg RPfleger 2001, 514 f.; OLG Saarbrücken v. 16.10.2001 – 6 W 311/01–78, OLGReport Saarbrücken 2002, 260 f.). Auf die fortbestehenden bzw. neuen Probleme zu Aktivprozessen von Anwaltssozietäten (vgl. BGH JurBüro 2003, 89 ff. m. Anm. Enders) kommt es nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO i.V.m. dem Umkehrschluss aus Nr. 1957 KV-GKG.
Fundstellen
NJW-RR 2004, 422 |
MDR 2003, 1202 |
SchlHA 2003, 308 |
AGS 2003, 533 |
KammerForum 2003, 411 |
OLGR-BHS 2003, 326 |
RVG-Letter 2004, 5 |
www.judicialis.de 2003 |